Laufspass auf der Stadtautobahn: Brasilia trotzt der Krise

Laufstrecke am autofreien Sonntag: Vom Hotel Kubitschek Plaza im Sector Hoteleiro Norte über die Stadtautobahn Richtung Regierungsviertel (Eixo Monumental). Nach  900 m auf die  Stadtautobahn  Süd (Eixo Rodoviario Sul) wechseln. Vom zentralen Autobahnkreuz kann die Nord-Süd Achse in beide Richtungen rd. 8 km belaufen werden. Wir laufen ein Teilstück in südlicher Richtung und auf gleicher Strecke wieder zurück zum Hotel;  8,2  km.

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Dieser Sonntagslauf über eine sechsspurige Stadtautobahn hat eine besondere Qualität. Die Sonne scheint am wolkenlosen Himmel, der Asphalt reflektiert gnadenlos die Hitze und bei nur leichter Brise sind es gefühlte 30 Grad. Autofreie Sonntage haben in lateinamerikanischen Metropolen Konjunktur. Große Verkehrsadern werden für den Freizeitsport gesperrt. In Brasilia ist die sechsspurige Nord-Süd-Stadtautobahn  in  einer Länge von 16 km für Radler und Läufer geöffnet.

Wir starten vom Hotel Kubitschek. Es ist benannt nach jenem Präsidenten, der 1960 die auf dem Reißbrett geplante neue Hauptstadt Brasilia einweihte. Auf einem schmalen Pfad laufen wir am Rande der Stadtautobahn Richtung Zentrum. Bürgersteige gibt es in Brasilia eher selten,  denn Oscar Niemeyer und seine Mitstreiter hatten die neue Hauptstadt mitten im Urwald als Autostadt konzipiert. Der Stadtplan Brasilias, der sog. Plano Piloto, hat die Form eines Flugzeugs. Das Regierungsviertel entstand am vorderen Rumpf des Fliegers entlang der zentralen Achse – dem Eixo Monumental. Wohnen, Einkaufen und Dienstleistungen wurden in die Flügel verlegt. Den Sitz der drei Staatsgewalten platzierte man weise ins Cockpit.  Die Planer wähnten Brasilien am Beginn eines gewaltigen  Modernisierungsschubes, der den Menschen Demokratie, Freiheit und Wohlstand – und ein eigenes Auto bescheren sollte. Manches hat sich anders entwickelt und die Vorstellung von dem, was urbanes Leben ausmacht,  über die Jahre verändert.

Inzwischen sind wir in Brasilias geographischem Zentrum angekommen – ein gigantisches Autobahnkreuz mit unzähligen Fahrspuren, Brücken und Unterführungen und ganz nebenbei auch ein Eldorado für Graffiti-Künstler. Um uns die Orientierung zu erleichtern, laufen wir jetzt im Automodus, so als ob wir hinter dem eigenen Steuer säßen. Wir manövrieren uns in einer großen Linkskurve in eine Unterführung hinein und auf die Stadtautobahn Richtung Süden. Hier unten herrscht ohrenbetäubender Lärm. Gleich vier Schlagzeuger sind im Einsatz und feuern Läufer und Radler an. Dieses Spektakel findet Anklang. Da muss man einfach das Smartphone  zücken.

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Im Tunnel ist es dunkel und angenehm kühl, doch vor uns beginnt bereits wieder die steil ansteigende Passage ans Tageslicht. Einige Radler müssen schieben. Wieder oben angelangt, eröffnet sich eine spektakuläre Sicht über die markanten Punkte der Hauptstadt. Im Nordosten steht auf einem Hügel der Fernsehturm der Stadt, ein kleiner Cousin des Eiffelturms. Neben den Gebäuden der Ministerien liegt gleich zur Linken das Viertel öffentlicher Banken. Es ist viel Symbolik in den Bauten. Der stilisierte Blitz an der Fassade der Banco do Brasil vermitteln Spannung und Aufbruch. Der nüchterne Bau der Zentralbank suggeriert Stabilität, und das eigenwillig gerippte Rundgebäude der Sparkasse Caixa Económica Federal könnte ein Zahnrad sein, das die Wirtschaft am Laufen hält. Richtung Südwesten stehen die markanten Doppeltürme von Senat und Abgeordnetenhaus, daneben der Kuppelbau des Plenarsaals.  Dahinter der Palácio do Planalto, Amtssitz des Präsidenten.

Politischer Machtkampf
Während die Menschen hier friedlich joggen und radeln, tobt im Regierungsbezirk  ein erbitterter Machtkampf. Nach und nach wird das politische Spitzenpersonal in die Wüste geschickt.  Korruption und Wirtschaftskrise haben den Ruf der Politiker ruiniert. An Straßenlaternen kleben Plakate. In großen roten  Lettern steht dort „Fora Temer – Fora Golpistas“ geschrieben. Der neue Präsident Temer soll seinen Hut nehmen. Die Anhänger Dilma Rousseffs werten ihre Amtsenthebung als Staatsstreich.  Auf anderen Schildern steht  „Tschau Querida“. Tschüss, meine Liebe – tatsächlich aber weint Dilma kaum einer eine Träne nach.

Es ist heiß auf der Straße, und die Läufer sind durstig. Das wissen auch die Wasserverkäufer auf ihren ambulanten Dreirädern. Wo Not ist, lockt  das Geschäft. Und in den brasilianischen Tropen sind immer auch die Kokosnussverkäufer zur Stelle. Unter einen schattigen Jacarandabaum hat einer ein paar Plastikhocker aufgestellt. An der improvisierten Bar findet das eisgekühlte Kokoswasser guten Absatz.

Nach gut 3 Kilometern auf der Stadtautobahn Richtung Rio de Janeiro – bis dorthin wären es noch weitere 925 km – kehren wir wieder um. Knallgelb blühende Bäume vermitteln ein wenig Naturgefühl. Die Fassaden der Wohngebäude zur Autobahn hin aber wirken wie ausgestorben. Denn das eigentliche Leben findet in den Wohnvierteln tief im Innern der Flügel statt. Auf dem Rückweg zum Hotel überqueren wir noch einige Verkehrsstraßen. An den Zebrastreifen halten tatsächlich die Autos an. Diese Kuriosität erlebt man in Brasilien nur in Brasilia.  Am Hotelpool sonnen sich die Schönen. Es sind wohl  jene, die auch sonntags lieber mit dem Auto fahren.

 

Zwischen Wüste und Wasser: Lima im Winterklima

Strecke: Vom Hotel NM im Stadtteil San Isidro (Ecke Av. Pardo y Aliaga und Calle Agustin) in südöstlicher Richtung über die Calle St. Maria bis zur Kulturstätte Huaca Pucclana. Rechts vorbei über die Elias Aguirre und E. de Habich auf die Calle Arica. Diese 2 km Richtung Küste und jenseits der Querstraße  Jose Pardo weiter auf der Calle Bolognesi und über den gleichnamigen kleinen Park hinweg laufen. Am Parque del Amor zunächst links am Malecón entlang bis zum Centro Larcomar.  Von dort wieder zurück auf dem  Laufweg  2,5 km bis zum Parque Maria Reiche.  Von hier stadteinwärts durch den Stadtteil Miraflores.  Über die Calle Toribo Pacheco in leichtem Anstieg über die Av. Gral Cordoba hinweg durch den Parque Blume  und Parque Baden Powell  in die Calle Jose del Llano Zapata bis zur Av. Los Conquistadores.  Auf dieser links  weiter stadteinwärts und über die Calle Puerto de Palos rechts zum Parque Olívar. Im Olivenhain rechts halten und über Constancio Bollar, Calle Carolina Vargas de Vargas, Calle Mariano José de Arce bis zur Av. Sta. Cruz laufen. Diese rechts hinunter bis zur Av. Pardo y Aliaga. Rechts halten bis zum Hotel; 9,7 km.

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Unser Rundlauf am Samstagmorgen führt uns durch Limas beliebte Stadtviertel San Isidro und Miraflores und in die Parklandschaften der Steilküste zum Pazifik. Wir starten in San Isidro, gleich gegenüber des traditionsreichen katholischen Colegio Maria Reina Marianistas. In südöstlicher Richtung steuern wir zunächst die Ausgrabungsstätte von Huaca Pucllana an.  Das Volk der Lima hat hier vor rd. 1500 Jahren, also noch vor der Inkazeit, kleine Lehmziegel zu großen Pyramiden aufgehäuft.  Durch die Gitter sehen wir Lamas über das Gelände laufen.

Lima ist eine Wüstenstadt, in der es fast nie regnet. Doch die Straßen und Gärten sind von blühenden Bäumen und Sträuchern gesäumt. Gärtner wässern die Rasenflächen, Hausangestellte wischen Eisengitter blank. Arbeiter der Stadtreinigung kehren gewissenhaft die Straßen. Die Betonplatten der Bürgersteige sind so blitzblank, dass man fast die Schuhe ausziehen möchte. Die Wohnviertel  werden von Bungalows und Apartmenthäusern geprägt.  Kleine Parks sorgen für Frischluft. Hier wohnt Limas gehobene Mittelschicht.  Die Menschen schützen sich mit hohen Grundstücksmauern, Gittern, Alarmanlagen und Wachmännern. Doch draußen auf der Straße wirkt alles friedlich. Hunde werden ausgeführt, häufig von Hundeausführern, die ganze Rudel spazieren führen.

Entgegen der Fahrtrichtung laufen wir auf der Calle Arica und Calle Bolognesi  rd. 2 km bis zum Pazifik hinunter. Die Querstraßen heißen Roma, Berlin, Venezia oder Madrid und erinnern an die Heimatorte europäischer Einwanderer. Unter ihnen war auch ein jüdischer Arzt aus Deutschland. Sein Sohn ist heute Perus Präsident Pedro Pablo Kuczynski.  

Mittendrin im Straßengewirr finden sich die vielen kleinen Restaurants, deren einfallsreiche Fusionsküche Lima zur kulinarischen Hauptstadt Lateinamerikas gemacht hat.  Der Chefkoch Gastón Acúrio  war einer der ersten, der die ungemeine Vielfalt traditioneller Nahrungsmittel aus dem Hochland der Anden bis zu den Gewässern des Pazifiks mit Raffinesse und gutem Marketinggespür auf die Teller der Hauptstadtrestaurants gezaubert hat.

An der Küste bietet sich ein spektakuläres Bild. Der für Lima so typische Winternebel  taucht die Landschaft in ein diffuses Licht. Das Steilufer wird von Parks  gesäumt. Skulpturen zeitgenössischer  Künstler mischen sich unter die Palmen. Gut 50 Meter tiefer rauscht die Brandung auf den Kieselstrand.  Surfer, nur  als kleine Punkte im Wasser erkennbar,  warten auf die perfekte Welle.  Auf einem Steg im Meer steht La Rosa Náutica, ein traditionelles Fischrestaurant. Am südlichen Horizont zeichnet sich das Künstlerviertel Barranco ab. Richtung Innenstadt verliert sich der Blick im Häusermeer. Rd.  9 Millionen Limeños leben hier, knapp ein Drittel der Bevölkerung Perus.

Mit Tradition in die Moderne
Am Malecón, der Uferstraße,  herrscht munteres Treiben.  Im Parque del Amor umarmen sich zwei riesige Gestalten. „Besame“ steht auf den vom katalanischen Künstler Gaudi inspirierten Mosaikbänken. Und natürlich folgen die Liebespaare diesen  Anweisungen nur allzu gern. Eine Frau mit langen schwarzen Haaren und hautengen Stretch-Jeans aus der Fernsehwerbung scheint auf ihren Liebhaber zu warten. Vorerst muss sie mit ihrem Smartphone vorlieb nehmen.

Wir laufen weiter in südwestlicher Richtung bis zum Larcomar. Dieses Einkaufs- und Vergnügungszentrum wurde in die Klippen der Steilküste gebaut.  An schönen Tagen rauschen Gleitschirmflieger vorbei. Wir schauen noch schnell in die Schaufenster der  Alpaka-Läden  und joggen dann  2,5 km  in nordöstlicher Richtung am Steilufer entlang bis zum Parque Maria Reiche.  Am rot-weißen Leuchtturm La Marina übt eine Yogagruppe Simultanbewegungen. Ein Mädchen in coolem Designer-Sportdress  lächelt  in das Smartphone ihrer Begleiterin.  Auf Facebook werden die Aufnahmen ihre Wirkung nicht verfehlen.

In den angrenzenden Tennisanlagen ist Hochbetrieb. Balljungen heben die Bälle auf, eine bei uns aus der Mode gekommene Annehmlichkeit. Wir passieren einen Kinderspielplatz, auf  dem sich nur Hunde tummeln,  ein paar Ecken weiter tanzt eine Gruppe zu Salsa aus dem Kofferradio.  Schließlich passieren wir Blumenbeete, die in merkwürdigen Schlangenlinien angelegt sind.  Mit diesem Park wird an die  deutsche Archäologin und Mathematikerin Maria Reiche erinnert, die sich um die Erforschung  der riesigen Wüstenzeichnungen bei Nazca im Süden Perus  verdient gemacht hat.

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Wir verlassen den Pazifik und biegen nun rechts ab in die Calle Toribo Pacheco. In leichtem Anstieg laufen wir wieder in die Stadt hinein. Indios putzen die Glasfassaden eines Hochhauses. Sonst sieht man sie in diesen Stadtteilen Limas nicht. Und doch wirkt Miraflores hier ein Stück bodenständiger.  Kleine Läden an der Ecke, Handwerksbetriebe und Autowerkstätten prägen das Bild. Wir laufen quer durch einen Park, der nach dem Musiker Baden Powell benannt ist, obwohl brasilianische Rhythmen diesseits der Anden weniger populär sind. Auf der eleganten Avenida Los Conquistadores warten Designerläden und edle Haar- und Nagelstudios auf die zahlungskräftigere weibliche Kundschaft. Wie überall, sind auch in Lima die Frauen gerne schön.

Über die Calle Puerto de Palos gelangen wir schließlich in den Parque Olívar.  Mitten in der Stadt steht hier ein über 400 Jahre alter Olivenhain. Rentner und Jogger mögen die entspannte Atmosphäre des Parks.  Auf der Ave.  Sta. Cruz passieren wir stilvolle Stadtvillen. Davor parken schwarze Limousinen.  Mit Tradition und Elan geht Lima modernen Zeiten entgegen.