Edinburgh, Schottland: Machtkämpfe, Blut und Dudelsack

Rundstrecke: Nicholsons Square (Old Town), Marshallstreet, Potterrow und Lothian Street über Fußgängerweg, Bristo Place, Candlemaker Row, Grassmarket, über Treppen und Fußgängerweg hoch zum Edinburgh Castle, Royal Mile über 1,6 km den Hügel talwärts über Castlehill, Lawnmarket, High Street, Canongate, North Bridge bis zum Scottish Parliament, Abstecher zum Palace of Holyroodhouse, dann Fußgängerweg am Parlament rechts vorbei, Queens Drive am Fuße des Holyroodhouse Park, über einen Steig auf die St. Leonhards Lane und über Rankeillor Street, Clifford Park, Buccleuchstreet, über den Moscheeplatz zurück auf den Nicholson Square. 5,2 km, etliche Höhenmeter auf z.T. steilen Auf- und Abstiegen.
01 Laufstrecke Edinburgh Mai 2016

Unser Lauf durch die Altstadt Edinburghs führt uns durch fast 500 Jahre wechselvoller Geschichte. Wir laufen steile Passagen auf und ab durch Ober- und Unterstadt und passieren Orte, die uns an Mord und Totschlag, Liebe und Eifersucht sowie an Macht- und Religionskämpfe erinnern. Wir erleben die Anfänge moderner Stadtentwicklung und begegnen Adam Smith, dem Autor von „Der Wohlstand der Nationen“.

Wir beginnen unseren Rundlauf am Nicholson Square in der Old Town, gleich neben dem „Aroma Cafe & Mosque Kitchen“ unweit der zentralen Moschee von Edinburgh.  Dies ist ein multikulturelles Viertel mit indischen, koreanischen, libanesischen, türkischen Kneipen, Läden von Lidl, der britischen Tesco Metro Kette und einem chinesischen Supermarkt.  „Ebony Ivory“ bietet Afro Hairstyling an und bei  „Eva’s Hair and Salon“ gibt’s die europäische Variante.

Über Potterrow , Lothian Street und Bristo Place laufen wir am Campus der University of Edinburgh und dem weitläufigen National Museum of Scotland vorbei.  Das Viertel atmet Tradition, auch wenn auf der Candlemaker Row heute keine Kerzen mehr gegossen werden. Dafür liegen in esoterischen Buchhandlungen Titel wie „Is Killing People Right?“ in den Schaufenstern.  Die Frage ist so abwegig nicht, denn in Schottlands Hauptstadt wurden Konflikte immer wieder blutig gelöst.  Notorisch war das  im 16. Jahrhundert.  Aus Schillers „Maria Stuart“ erinnern wir uns dunkel an die Hinrichtung der Mary Queen of Scots, nachdem sie den  Machtkampf mit ihrer Tante Elisabeth I., der Königin von England verloren hatte.  Lokale Chronisten berichten, dass der Scharfrichter mehrere Hiebe benötigte, bis der Kopf endlich rollte.  Aber auf unserem Lauf durch die Geschichte Edinburghs werden wir  erfahren, dass auch Mary kein Unschuldslamm war.  Die bisher letzte öffentliche Hinrichtung hat in Edinburgh übrigens vor gut 150 Jahren im Juni  1864 stattgefunden. Das lesen wir auf einer Gedenktafel auf dem Lawnmarket, einem zentralen Platz der Altstadt.

Maria Stuart kämpft
Die Candlemaker Row verläuft in einer leichten Linkskurve steil bergab in der Unterstadt bis auf den Grassmarket. Im Hintergrund eröffnet sich uns ein großartiger Blick auf das Edinburgh Castle. Es thront  hoch oben auf einem massiven Felsblock.  Wir laufen die Candlemaker Row hinunter und stehen nun  vor hohen Mauern aus unverputzten und  teils unbehauenen graubraunen Steinblöcken. Das wirkt wuchtig und ist bei regennassem nebligem Wetter auch ganz schön trist. Diese  fünf- bis sechsstöckigen Hochhäuser wurden schon im 17. Jahrhundert errichtet, um dem starken Bevölkerungszuwachs und den katastrophalen sanitären Verhältnissen Herr zu werden.  Edinburgh war  seinerzeit  eine der  am schnellsten wachsenden Städte Europas.

07 Hochhäuser

Heute reiht sich am Grassmarket eine Whisky-Kneipe an die andere. Am Abend muss man sich vor falschen Trinkfreunden in Acht nehmen. Denn viele missachten die goldene schottische Regel,  nach dem  10. Gläschen Schluss zu machen. Vom Grassmarket führt eine steile Treppe über die Castle Wynd South hoch hinauf zum Edinburgh Castle. Mehr keuchend als laufend gelangen wir auf den Vorplatz des Schlosses.  Näher kommen wir nicht heran, denn ein freundlicher Wachmann versperrt uns entschieden den Weg. Zu dieser Morgenstunde werden mit schweren Kränen die Tribünen für die Sommerfestivals aufgebaut.

Macht bestimmt Religion
Wir befinden uns nun am oberen Ende der sog. Royal Mile, die über 1,6 km vom Schloss bis hinunter  zum Palace of Holyroodhouse verläuft. Das ist jenes Schloss der Maria Stuart, in dem ihr eifersüchtiger Ehemann, der ehrwürdige Lord Darnley, ihren Privatsekretär und mutmaßlichen Liebhaber massakrieren ließ.  Die Rache blieb nicht lange aus, denn wenig später kam auch Darnley auf mysteriöse  Weise ums Leben.

Um diese morgendliche Zeit ist die Altstadt noch ruhig, und es ist augenscheinlich auch kein Blut geflossen. Die Schlösser und Museen haben noch  geschlossen und nur vereinzelte Tauben und Touristen trippeln  übers  nasse Kopfsteinpflaster. Wir laufen  auf der Royal Mile weiter den Hügel hinunter und genießen die frische Morgenluft und einen freien Lauf. Wenig später werden sich auf dem Lawnmarket zwischen den Statuen von David Hume und Adam Smith, Hunderte von Touristen vor Dudelsackspielern, Pantomimen, Schwertschluckern, japanischen Mandolinen Spielerinnen, Whiskyläden und Ständen mit karierten Kilts drängen.

Auf der Canongate verengt sich die Straße und wir stoßen regelrecht auf das alte Haus des streitbaren John Knox.   Der calvinistische Reformator setzte durch, dass der Presbyterianismus Staatsreligion in Schottland wurde. Damit war auch das Schicksal der Maria Stuart besiegelt. Denn Mary war katholisch und musste nun ihre Krone an ihren minderjährigen, aber nunmehr protestantischen Sohn abgeben.

Schottlands Denkerzellen 
Die Turmuhr der ehrwürdigen Toolboth Tavern, ein ehemaliges Zollhaus, zeigt inzwischen 8:15 Uhr.  Gleich daneben steht die Canongate Kirk. Rechts neben der Kirche das ehemalige Wohnhaus von Adam Smith, im Friedhof nebenan wurde der Moralphilosoph begraben. Ein paar hundert Meter weiter traben wir wieder in die Neuzeit  und stoßen auf den ultramodernen Bau des schottischen Parlaments. Seit dem unfreiwilligen Eintritt Schottlands  in das Vereinigte Königreich im Jahr 1707 sind sich Schotten und Engländer in herzlicher Abneigung verbunden. Doch erst 300 Jahre später haben sich die Kaledonier  jene Selbstbestimmungsrechte erkämpft, über die nun  im eigenen Parlament debattiert wird.  Der hinterlistige katalanische Architekt hat jedem Abgeordneten eine eigene Denkerzelle eingerichtet. Politische Entscheidungen wollen gut durchdacht sein.

02a Denkerzellen Parlament

Gleich hinter dem Parlament biegen wir rechts ab auf den Queen‘s Drive am Fuße des Holyrood Parks und laufen in leichter Steigung wieder Richtung Old Town. An den Abhängen des Hügels von Arthur‘s Seat blüht prächtiger gelber Ginster, doch der Felsgipfel bleibt im Nebel.  Am Queen‘s Drive ist an diesem Morgen viel Betrieb, die letzten Vorbereitungen für den  Edinburgh Marathon laufen auf Hochtouren. Außer Konkurrenz laufen wir fröhlich durch Start und Ziel, ermuntert durch lautstarke Rockmusik.  Nach einem knappen Kilometer auf dem Queen’s Drive erreichen wir  rechter Hand eine kleine Abzweigung und laufen über Treppen und Steige wieder in die Old Town hinauf. Ein paar Straßenecken weiter sind  wir wieder an der Edinburgh Moschee angelangt.  Es wirkt  friedlich in diesem bunten Altstadtviertel.  So als hätte es die ewigen Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten, zwischen anglikanischer und schottischer Kirche nie gegeben.  Heute schlendert ein schwarzhäutiger Muslim über den Moscheevorplatz.

 

Reykjavik, Island: Kalter Wind, heiße Quellen, coole Kneipen

Rundstrecke: Der Lauf beginnt am östlichen Ende der Laugavegur, Reykjaviks zentraler Einkaufstrasse, Ecke Snorrabraut.  Auf der Laugavegur bis zur Skolavördustigur und dann links die Anhöhe hinauf zur Hallgrimskirkja Kirche. Von dort auf der Njardargata wieder hinunter bis zum Stadtpark. Im Park rechts stadteinwärts halten und über die Brücke (Skothusvegur) den Stadtweiher überqueren. Rechts auf der Tjarnargata und der Adalstraeti durch die Altstadt und dann halblinks auf der Tryggvagata bis zum alten Hafen laufen. Von hier aus rechts halten und den Fuß- und Radweg am Kai entlang bis zum Konferenzzentrum Harpa und weiter am Wasser entlang am Wikingerschiff vorbei bis zur Ecke mit Snorrabraut laufen. Von hier wieder stadteinwärts bis zur Laugavegur.  6,3 km.

  Reykjavik 6,3 km Stadtlauf

Wenn der Wind vom Polarkreis weht, wird es frostig auf Reykjaviks Straßen, auch, wenn die Sonne schon am frühen Morgen hoch am Himmel steht. Doch in der nördlichsten Hauptstadt der Welt bleibt die Innenstadt auch an Wintertagen schnee- und eisfrei, denn Häuser,  Straßen und Plätze werden ganzjährig mit erdwarmem Wasser beheizt. Vielerorts pufft heißer Dampf aus dem Boden. Island sitzt buchstäblich wie ein Kochtopf auf der Feuerstelle. Dank seiner Lage, genau auf dem Riff zwischen der euroasiatischen und amerikanischen Erdplatte, gibt es in Island mehr vulkanische Aktivität als irgendwo sonst auf der Welt – und damit unerschöpfliche Reserven geothermischer Energie.

Wir starten unseren Rundlauf durch die isländische Hauptstadt am östlichen Ende der Laugavegur,  Reykjaviks  zentraler Einkaufsstraße.  Zwei- und dreistöckige Häuser reihen sich aneinander, ansprechend gestrichen mit roter, grüner, blauer oder lavaschwarzer Farbe. Die Fensterrahmen sind in hübschem Farbkontrast gehalten. Street Art Künstler mischen das  Stadtbild auf. An einer Hauswand reitet eine attraktive Frauengestalt  im Kleinen Schwarzen auf hundeähnlichen Fabelwesen durch die Vollmondnacht. Auf Gitterstäben sind einzelne Handschuhe aufgespießt. Single gloves speed dating hat jemand dazu  geschrieben.  In den  Läden werden Lopapeysa, die typischen Islandpullover aus dunkler Lammwolle mit hellen Strickmustern verkauft.  Gefühlt jedes dritte Altstadthaus entpuppt sich später am Tag als Bar, Restaurant oder Musikkneipe. Kurz vor Mitternacht, wenn es allmählich dunkel wird, wird es hier richtig lebhaft.  Björk, Sigur Rós, Of Monsters and Men sind nur einige der isländischen Poplegenden, die ihre Karriere in den Altstadtkneipen von Reykjavik begonnen haben und heute über 100 Millionen Mal auf YouTube angeklickt werden.

Die Hälfte aller 330 Tausend Isländer lebt in Reykjavik. Ein kleines Land, das es zu beträchtlichem Wohlstand gebracht hat. Doch wir laufen auch an vereinzelten Bauruinen vorbei, die an die bitteren Jahre der Bankenkrise erinnern. Inzwischen erlebt Island dank einer boomenden  Tourismusindustrie einen beeindruckenden Wiederaufschwung.

 Raumfähre mit Orgelpfeifen
Nach einem knappen Kilometer auf der Laugavegur biegen wir links ab auf die Skolavördustigur und laufen den Hügel zur Hallgrimskirkja  hinauf. Diese weithin sichtbare Kirche ist das Wahrzeichen der Stadt.  Aus hellem  Stein erbaut, mutet sie wie eine Kreuzung aus NASA Raumfähre und spitz zulaufenden Orgelpfeifen an. Vor der Kirche steht die mächtige Statue des Leifur Eiricsson. Das ist jener Wikinger,  der bereits um 1000, also lange vor Kolumbus, amerikanisches Festland entdeckte und ihm den Namen Vínland gab. Vom Platz vor der Hallgrimskirkja gönnen wir uns einen wunderbaren Blick auf die Stadt. Die Luft ist so klar, dass wir weit über den Nordatlantik und die umliegenden schneebedecken Berge und Gletscher sehen können.

Auf der Njardargata laufen wir durch adrette Wohnviertel recht steil wieder den Hügel hinunter, durch den Stadtpark hindurch und an einem Weiher entlang wieder in die Altstadt. Der zentrale Austurvöllur  Platz war bis zum 18. Jhd. Schafweideland. Heute steht hier die sogenannte Kathedrale, ein einfacher Bau, der mit der Bescheidenheit einer Dorfkirche daherkommt.  Durch die Altstadt hindurch joggen wir auf der Adalstraeti an Reykjaviks ältestem Gebäude, einem bunt bemalten Holzhäuschen, vorbei. In wenigen hundert Metern sind wir dann am alten Hafen angelangt. Islands Fischereiflotte mit den umstrittenen Walfangbooten ankert längst außerhalb der Stadt. Aber hier am alten Kai bieten die Boote ganz harmlose Whale Watching Fahrten an.  Im Kneipengewirr des Old Harbour liegt auch die blaue Baracke des Café Haiti. Der Name wirkt am 64. nördlichen Breitengrad reichlich exotisch. Doch die Wirtin Elda hat sich in Reykjaviks Kneipenszene mit herausragendem Kaffee aus ihrer Heimat einen Namen gemacht.  Ihr isländischer Ehemann verkauft dazu heimische Fischsuppe mit Bier für 20 Euro. Das ist in Island kein überhöhter Preis. Doch zum Glück kann man auf der Insel alles – auch den Toilettenbesuch – mit Kreditkarte bezahlen.

Harpa 2

Gleich neben dem alten Hafen liegt das Harpa. Reykjaviks supermodernes Konferenz- und Konzertgebäude beeindruckt mit raffiniert ausgetüftelter Glasfassade, in der sich allabendlich bunte Lichter widerspiegeln.  Wir laufen weiter entlang des Fußgängerwegs an der Uferstraße namens Saebraut.  Noch ein paar hundert Meter weiter und wir gelangen zu einer besonderen Sehenswürdigkeit der Stadt:  Silbrig-gelb leuchtet ein metallenes stilisiertes Wikingerschiff in der Morgensonne. In der Ferne  stürzen Bergabhänge ins Meer.  Seevögel fliegen lautlos vorüber. Und ganz allmählich und unaufdringlich mischen sich die Geräusche des beginnenden Morgenverkehrs in das leise Klatschen der Nordmeerwellen.

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