Aufbruch in die Zukunft – Utrecht 2030

Utrecht Dom (2)

Rundstrecke: Paramaribo Straat im Stadtteil Lombok – Keulsekade Kanal – über zwei Schleusen auf Kanalweeg – über zwei Brücken auf Leidseweg – Bahnhofsunterführung (Centraal Station) – über Catharijnesingel und Brücke in die Altstadt von Utrecht – gegen den Uhrzeigersinn auf Parkwegen entlang (oder nahe) der Stadsbuitengracht um den alten Stadtkern herum – über Knipstraat durch Bahnhofsunterführung – Moschee – Kanaalstraat – Makassarstraat – Paramaribostraat;  9,85 km.

Utrecht 1Jul2017 9,85 km

Viertelvorsieben – ein lauer Samstagabend in Utrecht. Der niederländische Sommer meint es gut mit uns. Das Thermometer zeigt über 20 Grad, die Regenwolken sind wie weggeblasen.

Alte Universitätsstadt
Wir laufen durch eine der schönsten Städte der Niederlande und erleben, wie die alte Universitätsstadt einen radikalen Aufbruch in die Zukunft unternimmt.  Wir starten in Lombok, westlich der Altstadt gelegen, am beschaulichen Keulsekade Kanal. Wasser zieht die Menschen  immer an. Wir treffen auf Spaziergänger, Jogger und Hundeausführer und laufen an den gepflegten kleinen Vorgärten traditioneller Hausboote vorbei. Nach der Überquerung mehrerer Schleusen und Brücken biegen wir links auf den Leidseweg, der wiederum entlang eines Seitenkanals Richtung Innenstadt führt.  An den Kaimauern liegen nun große zweistöckige Hausboote in schickem Design. Tatsächlich sind es aber gar keine Schiffe mehr, sondern Stadtvillen auf schwimmenden Betonplatten, die im hochpreisigen Segment des lokalen Immobilienmarktes gehandelt werden.  Wie zur Bestätigung sind in die Bürgersteige des Leidseweg stark vergrößerte Exemplare von Euromünzen eingelassen.  Eigentlich sind diese aber ein Hinweis darauf, dass wir gerade an der staatlichen Münzprägeanstalt, der Muntgebouw Utrecht, vorbeilaufen.

Aufbruch in die Zukunft
Am Ende des Leidseweg geraten wir in die vermutlich größte Baustelle der Niederlande. Denn die viertgrößte Stadt des Landes schickt sich an, mit dem gigantischen Bahnhofsneubauprojekt  „Utrecht Centraal 2030“ die Zukunft zu gestalten.  Utrecht ist der wichtigste Eisenbahnknotenpunkt des Landes.  Zugleich entsteht  in Leidsche Rijn, im Westen der Stadt, ein großes neues Wohnquartier, das mit einer Fahrradschnellstraße an den Bahnhof  angeschlossen wird. Das Bahnhofsprojekt versucht, die wichtigsten Verkehrsmedien der Zukunft – Schiene, Fahrrad, Wasser und Straße – intelligent miteinander zu verbinden.  Videoanimationen von „UC 2030“ zeigen, wie es einmal aussehen wird:  Die Stadsbuitengracht, ein teilweise zugeschütteter Kanal rund um die Altstadt, wird im Bahnhofsbereich wieder ausgebaggert.  Der traditionelle Wasserlauf wird in die moderne Architektur eingebunden werden und zum Teil unter Glasplatten verlaufen.

Utrecht BAhnhofDarüber entstehen auf mehreren Ebenen öffentliche Plätze, Fußgänger-, Einkaufs-,  Hotel- und Bürozonen sowie Konzertsäle. In den Untergeschossen des Bahnhofskomplexes wird mit 12.500 Stellplätzen der größte Fahrradparkplatz Europas gebaut werden. Radfahrer werden in die Tiefgaragen fahren, parken und direkt in öffentliche Verkehrsmittel umsteigen können. Das einzigartige Projekt soll bis 2030 fertig werden. Ein erster Bauabschnitt wurde bereits im April 2017 eingeweiht. (https://www.youtube.com/watch?v=ynIRAhoqoBc;    https://www.youtube.com/watch?v=lzNGdg4Y_gI)

Utrecht Fahrradparkplatz

Quer durch die Baustelle bahnen wir uns einen Weg durch den gegenwärtig  noch oberirdischen und  in seinen Ausmaßen jetzt schon beeindruckenden Fahrradparkplatz, laufen entlang der alten Durchgangsstraße, unterqueren die Zuggleise und gelangen schließlich über eine Brücke der hier wieder wasserführenden Stadsbuitengracht in die Altstadt von Utrecht.  Was für ein Gegensatz zum Megaprojekt am Bahnhof! Hier sieht die Stadt wieder so aus wie auf den Touristenprospekten.  Adrette Reihenhäuser entlang hübscher Grachten, ehrwürdige Universitätsgebäude, Straßen und Wege mit rotem Backstein, gepflastert in Fischgräten-muster. Und wo man auch läuft, immer sieht man den gotischen Kirchturm des Doms, mit 112 Metern das höchste kirchliche Bauwerk der Niederlande.

Entlang der Stadsbuitengracht
Wir biegen gleich rechts in südlicher Richtung auf den Parkweg Sterrenburg ein.  Er wird uns gut 5 km immer entlang oder nahe der Stadsbuitengracht rund um die Altstadt führen. Wir laufen vorbei an Resten der alten Stadtmauer und überqueren Oude und Nieuwe Gracht, also die  alte und neue Gracht,  die mitten durch die Altstadt führen. Wir treffen auf dem Spazierweg auf Kellner des Restaurants SYR, einer Initiative, die syrischen Flüchtlingen einen Wiedereinstieg ins Berufsleben ermöglicht.  Und wir werden von einer munteren Bootsparty überholt, die gemächlich durch die Gracht tuckert.  In den Grünanlagen tollen die Hunde, Grillfleischschwaden wehen um die Nase.

Utrecht Altstadtlauf

In der weniger beschaulichen nordöstlichen Ecke der Altstadt passieren wir das ehemalige Gefängnis in der Wolfenstraat, in dessen  Zellen nun Kunstausstellungen stattfinden. Wir traben durch ein paar hübsche Gassen und haben plötzlich wieder das Ende der Stadsbuitengracht und den Beginn der Großbaustelle rund um den Bahnhof erreicht.

Moschee mit Kebab Factory
Die Knipstraat führt uns zum Fahrradtunnel  unter den Zuggleisen,  dann laufen wir direkt auf Ulu Camii, der 2014 aus rotem Stein und hellem Stahl erbauten Zentralmoschee von Utrecht, zu.  Wären da nicht die beiden Minarette, man glaubte, ein großes Einkaufszentrum vor sich zu sehen.  Es überrascht auf den ersten Blick,  dass im Erdgeschoss der Moschee ein Restaurant untergebracht ist.  Die Kebab Factory ist gut besucht,  die Tische auf dem Vorplatz sind fast alle besetzt.  So kommen die Menschen in die Moschee.

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Wir sind wieder im Stadtteil Lombok, dem türkisch-islamischen Viertel von Utrecht. Hier heißen die Straßen Sumatra-, Borneo-, oder Javastraat. Gemüsehändler bieten ihre Ware im orientalischen Kaftan an. Ein schwarzer Mercedes dröhnt mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit durch die Kanaalstraat. Das wirkt so, als wäre hier ein neureicher Drogendealer unterwegs. In den Seitenstraßen wechseln die  kleinen Briefchen wesentlich diskreter ihre Besitzer.  Auf dem Bürgersteig überholt uns ein Mopedfahrer.  Auf dem Gepäckträger befördert er eine viereckige Isolierbox. Die Essensbestellung per Online-dienst wird immer populärer.  In West-Lombok stoßen wir wieder auf den Keulsekade Kanal. Ein paar Meter weiter sind wir zufrieden an unserem Ziel in der Paramaribostraat angekommen.

Utrecht, im Juli 2017