Bodrum-Yalikavak: Joggen und Segeln in der türkischen Ägäis

Laufstrecke: Innerhalb des weitläufigen Yachthafens von Yalikavak (Palmarina Bodrum) entlang der Bootstege vorbei am Billionaire Club bis zur Hafeneinfahrt laufen. Auf dem Rückweg an den Luxusgeschäften vorbei bis zum Ausgang des Yachthafens. Dann links halten und an der Uferpromenade entlang Richtung Altstadt Yalikavak laufen. Über die engen Altstadtgassen zur Moschee. Zurück  am Ufer nochmal rechts halten und entlang der Badestrände laufen. Den Rückweg je nach Lust und Laune antreten und wieder  an der Uferpromenade entlang zur Palmarina Bodrum laufen; ca. 45-60 Minuten.


Arabisch ist schwer zu verstehen. Doch es scheint, dass der Gebetsruf des Muezzins kurz vor Sonnenaufgang immer ein bisschen anders von den Lautsprechern der Moscheen herüber klingt. „Allahu akbar – Gott ist groß …“, mal gesprochen, mal improvisierend um einen Grundton herum gesungen. Wir liegen mit unserem gecharterten Segelboot in der luxuriösen Palmarina Bodrum, dem Yachthafen von Yalikavak. Es ist 5:30 Uhr morgens, der letzte Tag unseres Segeltörns durch den großen Golf von Gökova in der türkischen Ägäis.   Die Sonne steigt langsam über die Hügel der Halbinsel von Bodrum auf. Hinter den Masten der Segelyachten färbt sich der Himmel langsam heller. Das Dunkelblau wechselt zum Orange und Gelb. Dann wird es heiß.

Ich trabe langsam über die Bootstege zum Zentrum der Marina und biege dann rechts in die Sektion der großen Motoryachten ab. Sie tragen hübsche Namen wie z.B. My Second Love oder etwas profaner, Floating Asset. Viele dieser Meereskreuzer, zugelassen im steuerfreundlichen US Bundestaat Delaware,  dümpeln meist unbenutzt im Hafen herum, täglich geputzt von mehrköpfigen Crews.  Ihre großen Rettungsboote werden sie wohl nie zu Wasser lassen.

Mubariz Mansimov, ein Milliardär aus Azerbaijan, der in Wikipedia gern Auskunft über sein Vermögen erteilt, hat diese Marina vor wenigen Jahren erbauen lassen. Gleich dort, wo die fettesten Yachten liegen, eröffnete auch der Lebemann Flavio Briatore, ehemals Teamchef der Formel-1 Rennställe von Benetton und Renault und Vater des ersten Kindes von Heidi Klum einen seiner Billionaire Clubs. Ein Schlingel, wer dabei etwas Böses denkt, denn wer wollte da nicht dazu gehören? Wenige Schritte dahinter der Hubschrauber-Landeplatz. Schön, dass der Jet Set bei der sommerlichen Hitze so kurze Wege hat.

Ich laufe zurück zum Ausgang des Yachthafens, vorbei an den Boutiquen bekannter Luxusmarken. Allmählich haben sich auch die Putzkolonnen in Bewegung gesetzt und wienern den blitzblanken Steg. Skipper in weißen Poloshirts radeln auf Klappfahrrädern zum Brötchenholen. Mit der Chipkarte eröffnet sich das Tor zur Außenwelt.

Yalikavak ist ein schön gelegener türkischer Badeort. Ich laufe nach links an der Uferpromenade entlang in den Ort hinein. Hier liegen Fischerboote und die traditionellen Gület-Yachten vor Anker, jene eleganten türkischen Zwei- oder Dreimaster, dieTouristen in vermeintlich einsame Buchten mit herrlich klarem Wasser schippern. Ein beliebtes Ziel ist die englische Bucht. Im wunderbaren Yücel Restaurant begegnet man dort Gület-Passagieren aus aller Herren Länder. Der Name der Bucht erinnert an die englischen Marineschiffe, die sich im 1. Weltkrieg auf der Flucht vor deutschen Truppen in diese verwinkelte Bucht zurückzogen. Übrigens hat auch der ehemalige türkische Staatspräsident Abdullah Gül sein schmuckes Feriendomizil im militärischen Sperrgebiet der Bucht eingerichtet.

Die Tische der zahlreichen Straßenrestaurants in Yalikavak sind noch leer. Auch Dogal Maras, der zaubernde Eisverkäufer, hat seinen Stand noch nicht geöffnet. Die vielen freilaufenden Hunde stört das nicht, denn zu dieser Stunde gehören die Strandbäder ihnen ganz allein und laden zum fröhlichen Geraufe am Wasser ein.  Später am Tag werden hier türkische Familien mit Mädchen in knappen Bikinis und Frauen in Ganzkörper-Burkinis neben geröteten Engländerinnen baden. Ein älterer Herr hat seine Angelleine ins Wasser geworfen. Er sieht so aus, als erfreue auch er sich an der morgendlichen Frische.

In den Gassen der Altstadt säumen sich die Andenkenläden. Auch der kunstfertige Barbier, der mir mit Pinsel, Schaum und scharfer Klinge den Urlaubsbart abrasieren wird, hat hier seinen Arbeitsplatz.  Ein paar Schritte den Hügel hinauf steht der mächtige Kuppelbau der örtlichen Moschee, rechts und links die beiden spitz zulaufenden Minarette. Im Erdgeschoss ist eine Filiale der türkischen Postbank eingerichtet. Das überrascht, aber auch hier gilt das Prinzip der kurzen Wege.

Über die Uferpromenade laufe ich zurück in die Palmarina. Hinter den Hügeln auf der anderen Seite der Halbinsel eröffnet sich der Golf von Gökova. Vom Badestrand in Akyarlar hinüber zur griechischen Insel Kos sind es nur wenige Kilometer. Über diese Meeresenge sind in den letzten Wochen viele tausend Menschen, davon viele aus den Kriegsgebieten in Syrien und Afghanistan,  mit großen Hoffnungen nach Griechenland in das rettende Europa geflüchtet. Knapp 1000 Euro fordern die Fluchthelfer für die nächtliche Überfahrt.  Als wir hier tags zuvor vorbei segeln, treibt der Wind ein zerstörtes Schlauchboot und Schwimmwesten über das Wasser.

August 2015

Texel, Niederlande: Zum Vogelparadies von De Slufter im Nationalpark Duinen van Texel

Laufstrecke: Vom Parkplatz des Dünen-Campingplatzes in De Koog rechts durch den weitläufigen Campingplatz, an dessen Ende ein kurzes Stück links und wieder rechts rd. 500 m parallel zu den Dünen halten. Dann rechts auf welligen Sand- und Graswegen zu einer Aussichtsdüne und weiter rd. 500 m ins Weidegebiet. Dann links mehrere Kilometer auf geradem und  befestigtem Weg nach  Norden und schließlich links Richtung  De Slufter laufen. Durch kleine Dünen und  Sand am Südufer des Slufter entlang bis zum Meer, am Strand zurück nach De Koog;  6,5 km Lauf durch Dünenlandschaft + 5,5 km Strandlauf, ca. 75 Minuten.


Es ist kurz nach 8 Uhr und auf dem ausgedehnten naturbelassenen Campingplatz in den Dünen bei De Koog herrscht Morgenruhe. Die Sonne steht noch flach im Osten, eine angenehme Brise aus Nordost kühlt die Stirn. Rebhühner rennen aus den Gebüschen in elliptischen Bahnen vor uns her.

Wir sind mitten im Nationalpark Duinen van Texel und laufen durch eine abwechslungs- und stimmungsvolle Dünenlandschaft. Hinter den letzten Zelten biegen wir links ab in Richtung Meer, kurz vor der letzten und höchsten Düne, die die Insel vor Hochwasser und Sturm  schützt, geht es nach rechts parallel zum Dünenkamm. Das Gelände ist hügelig, der Weg ist mal fest und grasbewachsen, mal etwas sandiger mit weichem Untergrund.  Heidekraut blüht in sanftem Lila.  Links rauscht das Meer, rechts wärmt die Sonne. Nach gut 500 m biegen wir ins Inselinnere ab. Eine beachtliche Düne tut sich vor uns auf  und wir erklimmen sportlich die steilen Stufen zur Aussichtsplattform. 20-25 Meter Höhe über dem Meeresspiegel reichen für einen herrlichen Rundblick zur Nordsee im Westen, dem Badeort De Koog im Süden, den  ausgedehnten Weidelandschaften im Osten und den Feuchtgebieten von De Muy und De Slufter im Norden. Dieses Naturschauspiel ist einzigartig in Holland. 1851 hat ein schwerer Sturm die schützenden Dünen durchbrochen und seitdem fließt das Meer ungehindert in das Land. Geblieben ist eine wundersame Landschaft, Brutstätte unzähliger Vögel und Heimat seltener Pflanzen, die das salzige Wasser gut vertragen können.

Wieder herunter vom Inselgipfel  passieren wir Weidegatter. Ein Schild mahnt, dass wir von  den Tieren mindestens 25 Meter Abstand halten sollen. Die jungen Hochlandrinder haben das nicht gelesen, denn sie grasen unbekümmert auf dem Weg und sind mit ihrem braunen Zottelhaar richtige Knuffelbeesten, wie der Holländer sagen würde.  Auch die Texelschafe, von denen es angeblich mehr als menschliche Inselbewohner gibt, weiden friedlich im Naturreservat. Es fällt auf, dass die vielen Brandgänse gerne ihre Nähe suchen. Vielleicht weil die Schafe so schlau und flauschig sind.  Entlang der Weiden laufen wir ein paar Kilometer weiter Richtung Norden, biegen dann  links ab in leichtes Gehölz Richtung De Slufter.

Ein mächtiger Hase spurtet in unsere Richtung, und als er uns endlich wahrnimmt ist er schon mit einem schnellen Haken im Gebüsch verschwunden.  Der Weg geht allmählich in sandiges Gelände über und vor uns eröffnet sich die weite Bucht des Slufters. Mehr staksend als laufend bewegen wir uns über den sanft knirschenden Muschelteppich zum Wasser hin. Das hereinströmende Meerwasser ist tiefblau und hebt sich beeindruckend vom weißen Sand ab.  Im Wasser schwimmen unzählige Enten und Möwen. Jenseits des Meeresarmes sitzen tausende schwarz-weiß-graue Regenpfeifer im Sand. Ornithologen würden jetzt nicht weiter laufen. Der Wind fegt den Sand mit feinen Nadelstichen an unsere Waden.  Wir hören die Vögel, das Rauschen des Meeres und beobachten, wie die Wellen im Gegenwind zu weißer Gicht aufspritzen. Natur pur.

Wir laufen an die Stelle, wo das Meerwasser ins Land eindringt. Die Wasseroberfläche ist braun-rot von der Algenblüte gefärbt, doch das Wasser, das in die Bucht fließt,  ist  dunkelblau.  Es ist Ebbe, der Strand ist breit und das Meer hat sich weit zurückgezogen. Da wo der Strand hart und feucht ist, ist der Tisch für die grauen und schwarz-weißen Möwen gedeckt.  Muscheln, Krebse, Algenreste. Quallen mit einem Kreis feuerroter Punkte auf dem gallertartigen Rücken.  Die sind nicht so lecker.

Am Strand entlang von De Slufter zurück nach De Koog sind es 5,5 km. Der Wind hat aufge-frischt und schiebt uns von der Seite an.  In der Ferne kreuzen Yachten halb am Wind. Eine Reitergruppe kommt uns entgegen. Den Haflingern macht es sichtlich Spaß durch das flache Wasser zu traben.  Am Horizont tauchen die ersten Umkleidehäuschen am Rande der Dünen auf. Fein aneinander gereiht beherbergen sie das Strandgut der Sommergäste. Die ersten Jogger und Hundespaziergänger sind unterwegs. In De Koog angekommen, traben wir locker über den Dünenkamm, vorbei am Restaurant Noordzee mit den leckeren Muscheln, dehnen die Muskeln und freuen uns auf ein gutes Frühstück.

August 2015

Kronberg im Taunus: Läufer und Musiker im Leistungstest

Laufstrecke: 36. Altköniglauf  über 10 km, September 2015. Start und Ziel sind in der MTV Sportanlage in Kronberg, Schülerwiesen 1.  Alle Laufstrecken führen über breite Waldwege durch den Taunus am Fuß des Altkönigs. Auf auf der welligen 10 km Strecke sind gut 150 Höhenmeter zu bewältigen.  Zeitgleich lädt das Kronberg Academy Festival innerhalb von acht Tagen zu 26 Streicherkonzerten ein.


Es ist Sonntag. Und deshalb fällt der Startschuss für diesen Rundlauf durch den wunderschönen Herbstwald auf der Südseite des Taunus erst um 9:40 Uhr. Bei  strahlender Herbstsonne werden  die Läufer auf die Strecke geschickt, und die gut gelaunte Moderatorin stellt Kaffee, Kuchen, Wurst und Bier als Belohnung für die Anstrengungen in Aussicht.

Der Startschuss zum Kronberg Academy Festival fällt 24 Stunden früher. Der kanadische Pianist Walter Delahunt  geht mit seinem Hund Israel Gassi, bevor er im Auftaktkonzert des Festivals Cello Sonaten von Beethoven begleitet.

Alle zwei Jahre im September kommt es in Kronberg zu diesem Doppelgipfel. Die Kronberg Academy  lädt bekannte Solisten, Nachwuchskünstler und Studenten aus aller Welt zu ihrem Streicherfestival ein. Es ist ein munteres Stelldichein der Geiger, Bratschisten, Cellisten und Pianisten, arrivierten Künstlern und noch jungen Talenten. Lehrer werden geehrt, Förderer umworben und das Publikum auf einen Konzertmarathon geschickt.

Und jedes Jahr versammelt der MTV Kronberg  immer am letzten Sonntag im September Elite- und Breitensportler aus nah und fern zum traditionellen Altköniglauf. Die Fahne der Kronberg  Academy  mit dem stilisierten schwarzen Cello auf rotem Untergrund weht hoch oben über dem Sportplatz an den Schülerwiesen.   Wenn der Laufrichter „zehn,  neun, acht, sieben…“  bis zum Startschuss herunter zählt, dann steigt  der Adrenalin-Pegel  der Läufer so hoch wie jener der Solisten kurz vor dem Konzertauftakt. Und wenn die Langstreckenläufer im Ziel einlaufen, sind sie ebenso froh wie die Musiker, wenn der aufbrandende Beifall der Zuschauer den noch ausklingenden letzten Ton verschluckt. Läufer und Musiker  sind gleichermaßen kompromisslose Ausdauersportler. Doch zum Spitzentalent schaffen es nur jene, die ihre  Begabung mit unbändiger Zähigkeit zur Entfaltung bringen. Deshalb  überwiegt in beiden Gattungen die Zahl der unbekannten Helden.

Volksläufe sind das Revier weniger Stars und vieler Helden. Im dicht gedrängten Startblock werden noch schnell die jüngsten läuferischen Leistungen ausgetauscht oder mit vorgeblich schlechter Tagesform tiefgestapelt. Natürlich geht es nur ums Mitlaufen,  schließlich ist man zum Vergnügen hier.

Doch keiner möchte die sich selbst gesetzte Laufzeit überschreiten. Das Erfolgsrezept der Volksläufe liegt in der Möglichkeit im Rudel den ganz persönlichen Schweinehund zu überwinden.  Wer ist nicht stolz, wenn er die lange Steigung in der „Grünen Hölle“  an der 5 km Marke oder den letzten Anstieg zum „Berg der Wahrheit“  kurz vor dem Zieleinlauf erfolgreich überwunden hat?  Und wem leuchten nicht die Augen,  wenn die Ergebnisliste schwarz auf weiß und für alle sichtbar überraschend gute Zeiten verkündet?  Die hochprofessionellen  Laufdienstleister, die Zeitnahme und Ergebnisse in Rekordzeit  veröffentlichen,  wissen, was die Kundschaft will. Inzwischen kann man sich auch online in den Ergebnislisten gegenseitig  beglückwünschen. Und Lob gebührt in Kronberg auch den vielen freiwilligen Helfern und Besuchern, die gleichermaßen Läufer und Musiker mit bemerkenswertem Einsatz und herzlichem Beifall zu persönlichen Höchstleistungen antreiben.

September 2015

Toronto – Kulturelle Vielfalt als Integrationsmodell?

Eine Radeltour durch Kanadas Metropole am Ontariosee

Radroute: Rundkurs mit öffentlichen Fahrrädern von Bike Share Toronto (http://www.bikesharetoronto.com/) von Bloor St (Korea Town) über Euclid Ave bis College Street  (Little Italy),  Augusta Street (Kensington Market) bis Dundas St W;  Spadina Ave (China Town) überqueren und weiter auf Dundas St zur Art Gallery of Ontario (AGO) und über die University  Ave ins Japango  (Elisabeth St); Nathan Phillips Square;  über Queens St E und Lower Jarvis St in die Old Town und vorbei am St. Lawrence Market; über Front St E zum Distillery District;  zurück in Stadtzentrum über die Esplanade bis Yonge Street und Richtung Seeufer zum Queens Quay;  dort in östlicher Richtung auf dem Waterfront Recreational Trail; links hoch die Strachlan Ave bis Queens St W und diese bis Spadina Ave folgen;  auf Spadina Ave in nördlicher Ri  am Campus der  University of Toronto vorbei bis zum Royal Ontario Museum in der Bloor St  fahren (Tagesausflug mit Pausen).


5:0 liegen die Blue Jays vorne. Kanadas einziges Baseballteam von Format schlägt in einer außergewöhnlichen Siegesserie reihenweise US-amerikanische Teams. Die junge Frau verfolgt die Partie auf ihrem Smartphone und ist begeistert.  Sie trägt chinesische Gesichtszüge, ihr Freund könnte aus Südamerika stammen.

Wir sind in Toronto unterwegs und radeln durch die neighborhoods. Eben haben wir auf der Bloor Street in Korea Town ofenwarme Nusswaffeln genossen; nun sind wir durch Little Italy hindurch am Kensington Market angekommen. Ein Hippie mit Rastalocken drischt auf seine Gitarre ein, ein Schwarzer trommelt coole Rhythmen. Aus einem Autowrack wächst Gras und Gemüse.

Eine Straßenecke weiter auf Spadina Ave und Dundas St entfaltet sich der Makrokosmos chinesischer  Wirtschaftsaktivität. Hier kann man ALLES kaufen. Wir betreten das The Herb Depot, eine geräumige chinesische Apotheke, und sind von der Vielfalt und den Düften  der  unzähligen Kräuter und Medikamente überwältigt. Der alte Apotheker im weißen Kittel sieht so weise aus, dass wir überzeugt sind, dass  jedes seiner Mittel  Wirkung entfaltet, nur welche?

Knapp sieben Millionen Menschen aus über 100 Nationen leben in der Greater Toronto Area. Die Hälfte davon ist außerhalb des Landes  geboren.  Die Einwanderungspolitik ist klar definiert. Wer jung ist, gute Ausbildung  und Sprachkenntnisse sowie ein Arbeitsplatzangebot mitbringt, der hat gute Chancen in absehbarer Zeit Kanadier  zu werden. Andere erhalten zeitlich begrenzte Arbeitserlaubnisse.  Toronto  nimmt landesweit die meisten Zuwanderer auf.  „Einheit durch Vielfalt“ lautet die hiesige Losung.  Die Stadt vermittelt den Eindruck, dass eine flexible Immigrationspolitik gepaart mit der Pflege der Einwandererkulturen ein Schlüssel zur  Integration sein kann.

Kritiker sagen jedoch, dass die nach oben begrenzten Zahlen für Einwanderer sowie das Kontingent für Flüchtlinge im zweitgrößten Land der Erde zu niedrig und die Integration der kanadischen Ureinwohner, der sog. First Nations,  nach wie vor ungelöst seien. Viele setzen deshalb auf den im Oktober 2015 mit großer Mehrheit gewählten liberalen Premier Justin Trudeau und hoffen, dass er das konservative Image Kanadas wieder aufpoliert.

In der Dundas St liegt auch der bemerkenswerte Frank-Gehry-Bau der Art Gallery of Ontario (AGO).  Eine  Sonderausstellung zeigt die Werke kanadischer Naturmaler um den Impressionisten Tom Thomson. Thomson malte Szenen aus dem Algoquin Provincial Park. 

Wir machen Pause im Japango, einer angesagten Sushi-Kneipe unweit des Stadtzentrums an der Kreuzung von Yonge und Dundee Street. Während der japanische Koch die Sushis  zusammen rollt, erklingt amerikanische Bigband Musik aus der Anlage.  Auf dem nahegelegenen Nathan Phillips Square, neben dem alten Rathaus, hat der Künstler JR im Rahmen der sog. Toronto Nuit Blanche, einem Kunst Event, unzählige Porträts von  Einwohnern Torontos ausgebreitet. Irgendwo liegt auch das Foto von Marie, Neu-Toronterin,  auf dem Pflaster.

Die angrenzende Old Town wirkt ziemlich verlassen, erst im Distillery District kommt wieder Leben auf. In viktorianischer Zeit waren die Backsteinbauten das Zentrum industrieller Schnapsbrennereien. Heute sind sie Flaniermeile und Filmkulisse. Wir beobachten eine Hochzeitsgesellschaft. Die Braut  mit indischem, der Bräutigam mit mediterranem Teint. Das Paar, Brautjungfern und Blumenkinder werden unter lauten Anfeuerungsrufen der jeweiligen Familien für das amtliche Foto in Szene gesetzt.

Der Rückweg in die Innenstadt verläuft über parkähnliche Anlagen entlang der Esplanade St. Straßenkünstler haben großflächige Traumlandschaften an die Mauern gepinselt.  Auf  einem  Sportplatz versenkt ein Freizeitsportler aus Latinoland zielsicher Basketbälle im Korb.  Wir sind jetzt allmählich im Bankenviertel angelangt.  Neben  gediegenen  Bankhäusern schießen neue Wolkenkratzer in den Himmel,  fast so hoch wie der Fernsehturm, das Wahrzeichen der Stadt.

An der Old Spaghetti Factory und einem deutschen Brauhaus vorbei radeln wir Richtung Uferpromenade am Lake Shore Blvd.  Dieses Stadtviertel direkt  am Ontario Lake ist erst in jüngerer Zeit entwickelt worden:  Eine hochmoderne aber etwas sterile Park- und Wohnlandschaft mit Yachthafen, Straßencafés und öffentlichen Kunstaustellungen. Hier verläuft der für Radler und Jogger reservierte kilometerlange Waterfront Recreational Trail, regelmäßiger Schauplatz von Torontos zahlreichen Laufveranstaltungen.

(Ein empfehlenswerter Abstecher führt vom Jack Layten Ferry Terminal auf die Toronto Islands, die der Stadt vorgelagert sind. Von der hübschen Siedlung in Ward im Osten  führt ein Rad- und  Wanderweg bis hin zum westlichen Ende der Inselgruppe.  Hier  findet sich  der  sog. „clothing optional“-Strand. Bis der Groschen  gefallen ist, laufen auch schon splitternackte Sonnenanbeter über den Weg.  Ein kurzes Stück weiter schippert die Fähre wieder zur Stadt zurück.)

Zurück in der Stadt geht es vom Waterfront Trail ein kurzes Stück die Strachlan Ave hinauf, bevor wir in die angesagte West Queen St  einbiegen. Dies ist Torontos Fashion District. Hier findet jeder ein  ausgeflipptes Halloween-Kostüm sowie allerlei  weitere nützliche Modeartikel, wie z.B. Federboas oder Schuhe mit  15 cm hohen Plateauabsätzen, die sich besonders gut für starken Neuschnee eignen.

Über die China Town an der Spadina Ave und die University Ave gelangen wir durch den parkähnlichen Campus mit den klassizistischen Gebäuden der angesehenen Toronto University wieder zur Bloor Street. Wir schließen die Tour mit dem Besuch des Royal Ontario Museums ab. Die Museumsmacher sind  auf Zack:  Mit Modenschauen, Disko und Livebands schaffen sie das  Kunststück, Tausende von jungen Besuchern für Dinosaurier-Skelette und griechische Antike zu interessieren.

Oktober 2015