Nassau, Bahamas: Unter Touristen und Piraten

Strecke: Strandlauf an der Cable Beach bei Nassau, Providence Island, rd. 5 km

Auf der Insel New Providence mit der Hauptstadt Nassau, die ihren Namen einem englischen König aus Hessen-Nassau verdankt, leben die meisten der rd. 350.000 Menschen des Commonwealth of the Bahamas.  Sportsfreunde  wissen, dass der Inselstaat  auch unglaublich schnelle Läufer hervorbringt. Wenn man Glück hat, begegnet man ihnen beim morgendlichen Strandlauf, denn  bei Sonnenaufgang und gut 20 Grad Celsius herrschen dann die besten Laufbedingungen.

Niemand weiß genau, warum ausgerechnet die staubige Tiki Bikini Hut zu den touristischen Highlights  von Nassau gehört. Der Strandschuppen wirbt mit  dem Angebot von  „4 SANDS & 4 shots“, also je vier Gläser Bier und Schnaps für  9,99 Dollar. Karibik Songs mit Steeldrum Sound  dröhnen aus den Lautsprechern der Bar,  Touristen lümmeln sich in Liegenstühlen.  In Sichtweite ankern  die Ozeanriesen, die jeden Tag Tausende von sonnenhungrigen Touristen an Land spülen.

Kolumbus wusste übrigens nicht, dass er die Bahamas entdeckt hatte,  als er 1492 vor dem Eiland San Salvador die Anker warf.  Über Jahrhunderte haben die berüchtigten Piraten der Karibik die 700 Inseln  als Zuflucht  und Operationsbasis genutzt. Spätestens mit  dem  Einsatz von  Johnny Depp  ist dieser Berufszweig  salonfähig geworden. Im Museum  „Pirates of Nassau“  wird das  anschaulich  dargestellt. Tatsächlich gelten die Bahamas, unweit der Küste Floridas gelegen, bis heute  als wichtige Drehscheibe für den illegalen Waffen- und Drogenschmuggel  in die USA. Wer nicht schmuggelt, lebt vom Tourismus oder von anderen Dienstleistungen.  Denn die Steuerfreiheit  lockt auch viele Offshore Banken und Briefkastenfirmen auf die Inseln.  Und über allen thront die Queen.

Mein Laufrevier ist die Cable Beach, ein rd. 5 km langer Strandbogen, östlich von Nassau gelegen. Hier findet man die Karibik aus dem Bilderbuch.  Das helle Licht mit dem Spiel der Farben von Sand, Wasser, Himmel und Wolken, die Gerüche von Salzwasser und Tang,  angenehme Temperaturen und die sanften Geräusche der Wellen und Palmenblätter, die sich wie langes Haupthaar im Wind wiegen.

Doch Tourismus ist in Wahrheit ein knallhartes und hoch kompetitives Geschäft. Rund 5-6 Millionen Gäste kommen jährlich auf die Bahamas, die meisten  aus den USA.  Sie erwarten tadellose Hotels und durchgebratene Hamburger, entscheiden sich aber vielleicht schon morgen, das nächste Mal nach Kuba zu fahren.

Ich starte meinen Lauf am Strand vor dem Breezes Resort, ein bei  Springbreak Studenten besonders beliebtes Hotel.  Personal und Animateure verbreiten Tag und Nacht Partystimmung.  Gleich neben dem Breezes liegt das riesige Areal des neu erbauten Baha Mar Resort. Doch kurz vor Eröffnung  ist dem  Bauherrn das Geld ausgegangen.  Die chinesische Bank, die das Megaprojekt finanziert hat, sucht nun einen neuen Käufer. Auf dem Strand vor dem Baha Mar lässt jemand eine Drohne steigen.  Von da oben wird man ganz gut überblicken können,  wie viele Milliarden  in den Sand gesetzt wurden.

Das Meer hat Algen an den Strand geschwemmt. Strandläufer picken zwischen den Algenresten.  Mit  ihrem  braunschwarzen Gefieder laufen die kleinen Vögel  perfekt getarnt durch die Algenbündel.  Im Osten geht die Sonne langsam über den Türmen des Atlantis Resort auf Paradise Island auf.  Das Hotel erfüllt  viele Träume:  Palmenstrände, Vergnügungsparks und  Seewasserbecken, in denen man mit  Delphinen schmusen kann.  In den großen Kasinohallen  hat schon Sean Connery gepokert.  Doch an den Spieltischen kommt nicht wirklich James Bond Atmosphäre auf.  Die Gäste  zocken lieber in Shorts statt  im Smoking und schwenken zuckerfreie Cola statt Martini.

Am Horizont fährt ein Kreuzfahrtschiff in den Hafen von Nassau ein. Die Schiffe sind wie ein Fieberthermometer. Wenn sie ausbleiben, geht es der Wirtschaft schlecht. Doch wenn sie einlaufen, und das gleich mehrfach am Tag, dann füllen sich die Gassen und Läden und Kneipen, und das Urlaubsgeld sitzt locker.  Direkt am Kai lassen sich weißhäutige Frauen durch schwarzhäutige Frauen die für die Karibik typischen Haarfrisuren flechten.   Das Hard Rock Café Nassau ist  dagegen eher was für  Leute,  für die Klamotten mit dem  Aufdruck Hard Rock Café Nassau ein cooles Souvenir sind.

Das Laufen im weichen Sand ist anstrengend und schweißtreibend. Zeit zum Abtauchen ins türkisblaue  Wasser der Karibik.

Nassau, April 2016

Tiki Bikini Hut.jpg

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