Inmitten von 20 Millionen: Durch Mexikos historische Altstadt
Catedral Metropolitana
Rundstrecke: Centro Histórico, Fußgängerzone Ecke Calle de Bolivar und Ave. Francisco I. Madero – Plaza de la Constitución / Zócalo – 16 de Septiembre – Gante – Madero – Av. Juarez – Palacio de Bellas Artes – Parque Alameda Central – Ave .Juarez – Casa de los Azulejos – Madero/ Bolivar; 3,4 km.
Der schlangenverzehrende Adler ruht
Morgens um viertelnachsieben haben die Polizisten im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt noch Zeit, WhatsApp Nachrichten auszutauschen. Die kleine Fußgängerzone im historischen Zentrum ist fast menschenleer. Gerade erst öffnen die ersten Frühstückscafés. Die Bürgersteige werden geschrubbt. Die größte spanischsprachige Stadt der Welt putzt sich zum Sonnenaufgang blitzblank heraus.
Ich laufe auf der Madero bis zum Zócalo hinunter, Mexikos geographisches und politisches Zentrum. Auf die Plaza de la Constitución, eine der größten Plätze Lateinamerikas, passen locker sieben Fußballfelder. Die riesige grün-weiß-rote Staatsflagge mit dem schlangenverzehrenden Adler im Zentrum des Platzes verlangt Ehrerbietung. Jetzt hängt sie schlaff am Mast herunter. Noch herrscht gemächliche Ruhe. Der Morgenverkehr kreist gemütlich um die Fahne herum, ein Schuhputzer nimmt sich Zeit zum frühstücken, ein Zeitungshändler blättert in seinen Zeitungen. Im Uhrzeigersinn laufe ich um den Zócalo herum und benötige eine ganze Weile, bis ich auf der Nordseite des Platzes die breite Front der Stadtkathedrale abgelaufen habe. Begonnen wurde der Bau schon im 16. Jahrhundert. In nicht ganz unbescheidener Demut nannten die spanischen Kolonisatoren ihre Kirche fortan Catedral Metropolitana de la Asunción de la Santísima Virgen María a los Cielos de la Ciudad de México und vereinnahmten damit die Jungfrau Maria für eine Ehrenloge im mexikanischen Hauptstadthimmel. Dass die größte Kirche Lateinamerikas tatsächlich auf dem Fundament und mit den Steinen eines aztekischen Tempels erbaut wurde, löste bei den Eroberern keine Skrupel aus.
Über die ganze östliche Breite des Zócalo erstreckt sich der mächtige Präsidentenpalast. Das sieht sehr streng aus, denn der Palast wurde aus grauschwarzem Lavagestein erbaut. Im Innern birgt er die wunderbaren Wandgemälde des Diego Rivera, dem Mann Frida Kahlos. Die turbulente Ehe dieses berühmten Künstlerpaares ist Stoff genug für eine ganz eigene Geschichte.
Parque Alameda mit Torre de las Américas
Dreiundachtzig Kirchen und Kapellen
Vom Zócalo biege ich in die Ave. 16 de Septiembre (dem Tag der mexikanischen Unabhängigkeit) ein und laufe auf einem breiten Fußgängerstreifen in Richtung Alameda Park. Mächtige klassizistische Regierungsgebäude, reich verzierte Kirchenfassaden, zerfallene Stadthäuser und neu entstandene Luxustempel säumen den Weg. Mexikos Altstadt ist Weltkulturerbe und befindet sich mitten im Umbruch. Alte Kirchen und Kapellen, und davon gibt es im Centro Histórico immerhin 83 (!), stehen metertief unter dem Straßenniveau. Mit dem Grundwasser sind sie über die Jahrhunderte abgesunken. Mancher Glockenturm nimmt es inzwischen mit dem Turm von Pisa auf.
Über die Straßen Gante und Madera in der Fußgängerzone erreiche ich den Parque Alameda Central, Mexikos grüne Oase inmitten der Stadt. Hier steht der große, aber nicht unbedingt schöne Palast der schönen Künste und bietet ansprechendes Kulturprogramm, wie zum Beispiel seit über 60 Jahren die äußerst sehenswerten Aufführungen des Ballet Folklórico de México. Nicht weit davon entfernt taucht plötzlich Beethoven auf. 1921 stiftete die deutsch-mexikanische Community die Büste zur hundertjährigen Unabhängigkeit. Rund um Beethoven herum hat ein Künstler moderne Plastiken gruppiert. Es bleibt offen, in welcher Beziehung die etwas zerknautschten Figuren zum großen Komponisten stehen.
Während ich noch über Beethoven und seine Groupies nachdenke, fällt mein Blick auf den Torre de las Américas. Er war einst Mexikos Wahrzeichen, höchstes Gebäude der Stadt und wurde als eines der ersten Hochhäuser erdbebensicher erbaut. An der Turmspitze leuchten abwechselnd die Nationalfarben und eine digitale Zeitanzeige auf. Das wirkte einmal modern, doch die verblichenen Gardinen und windschiefen Rollos in den Fenstern bestätigen, dass die großen Zeiten des Gebäudes vorbei sind. Heute prägen die weitaus eleganteren Wolkenkratzer im Geschäftsviertel an der Reforma die Silhouette der Stadt.
Beethoven und Humboldt atmen Höhenluft
Der Alameda Park erfreut den Besucher mit den glockenförmigen purpurfarbenen Blüten der Jacaranda Bäume. Bänke rund um die Springbrunnen laden zum Verweilen ein. Doch morgens treffen sich hier vor allem die Frühsportler. Einige tragen Atemschutz über Mund und Nase, denn in der dünnen Höhenluft beißen die Abgase der Millionenstadt zuweilen spürbar in der Nase.
Auf der Ave. Francisco I. Madero
Nachdem ich am äußersten Ende des Parks eine Statue Alexander von Humboldts – der Forscher bereiste Mexiko vor gut 200 Jahren – umrundet habe, laufe ich wieder in die Altstadt zurück. Gleich zu Beginn der Fußgängerzone in der Madero steht die einzigartige Casa de los Azulejos, ein Haus, das vollständig mit blau bemalten Kacheln getäfelt ist. Das Café darin ist gut besucht. Der Tag ist erwacht. Auf den Straßen und Wegen von Mexiko-Stadt ist jetzt nur noch Schritttempo möglich.