Inmitten von 20 Millionen: Durch Mexikos historische Altstadt

 

Catedral metropolitana MexicoCatedral Metropolitana 

Rundstrecke: Centro Histórico, Fußgängerzone Ecke Calle de Bolivar und Ave. Francisco I. Madero – Plaza de la Constitución / Zócalo – 16 de Septiembre – Gante – Madero – Av. Juarez – Palacio de Bellas Artes – Parque Alameda Central – Ave .Juarez – Casa de los Azulejos – Madero/ Bolivar; 3,4 km.

Mexiko-Stadt 3,44 km April2017

Der schlangenverzehrende Adler ruht
Morgens um viertelnachsieben haben die Polizisten im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt noch Zeit, WhatsApp Nachrichten auszutauschen. Die kleine Fußgängerzone im historischen Zentrum ist fast menschenleer. Gerade erst öffnen die ersten Frühstückscafés. Die Bürgersteige werden geschrubbt. Die größte spanischsprachige Stadt der Welt putzt sich zum Sonnenaufgang blitzblank heraus.

Ich laufe auf der Madero bis zum Zócalo hinunter, Mexikos geographisches und politisches Zentrum. Auf die Plaza de la Constitución, eine der größten Plätze Lateinamerikas, passen locker sieben Fußballfelder. Die riesige grün-weiß-rote Staatsflagge mit dem schlangenverzehrenden Adler im Zentrum des Platzes verlangt Ehrerbietung. Jetzt hängt sie schlaff am Mast herunter. Noch herrscht gemächliche Ruhe. Der Morgenverkehr kreist gemütlich um die Fahne herum, ein Schuhputzer nimmt sich Zeit zum frühstücken, ein Zeitungshändler blättert in seinen Zeitungen. Im Uhrzeigersinn laufe ich um den Zócalo herum und benötige eine ganze Weile, bis ich auf der Nordseite des Platzes die breite Front der Stadtkathedrale abgelaufen habe. Begonnen wurde der Bau schon im 16. Jahrhundert. In nicht ganz unbescheidener Demut nannten die spanischen Kolonisatoren ihre Kirche fortan Catedral Metropolitana de la Asunción de la Santísima Virgen María a los Cielos de la Ciudad de México und vereinnahmten damit die Jungfrau Maria für eine Ehrenloge im mexikanischen Hauptstadthimmel. Dass die größte Kirche Lateinamerikas tatsächlich auf dem Fundament und mit den Steinen eines aztekischen Tempels erbaut wurde, löste bei den Eroberern keine Skrupel aus.

Über die ganze östliche Breite des Zócalo erstreckt sich der mächtige Präsidentenpalast. Das sieht sehr streng aus, denn der Palast wurde aus grauschwarzem Lavagestein erbaut. Im Innern birgt er die wunderbaren Wandgemälde des Diego Rivera, dem Mann Frida Kahlos. Die turbulente Ehe dieses berühmten Künstlerpaares ist Stoff genug für eine ganz eigene Geschichte.

DSCF3275Parque Alameda mit Torre de las Américas

Dreiundachtzig Kirchen und Kapellen
Vom Zócalo biege ich in die Ave. 16 de Septiembre (dem Tag der mexikanischen Unabhängigkeit) ein und laufe auf einem breiten Fußgängerstreifen in Richtung Alameda Park. Mächtige klassizistische Regierungsgebäude, reich verzierte Kirchenfassaden, zerfallene Stadthäuser und neu entstandene Luxustempel säumen den Weg. Mexikos Altstadt ist Weltkulturerbe und befindet sich mitten im Umbruch. Alte Kirchen und Kapellen, und davon gibt es im Centro Histórico immerhin 83 (!), stehen metertief unter dem Straßenniveau. Mit dem Grundwasser sind sie über die Jahrhunderte abgesunken. Mancher Glockenturm nimmt es inzwischen mit dem Turm von Pisa auf.

Über die Straßen Gante und Madera in der Fußgängerzone erreiche ich den Parque Alameda Central, Mexikos grüne Oase inmitten der Stadt. Hier steht der große, aber nicht unbedingt schöne Palast der schönen Künste und bietet ansprechendes Kulturprogramm, wie zum Beispiel seit über 60 Jahren die äußerst sehenswerten Aufführungen des Ballet Folklórico de México. Nicht weit davon entfernt taucht plötzlich Beethoven auf. 1921 stiftete die deutsch-mexikanische Community die Büste zur hundertjährigen Unabhängigkeit. Rund um Beethoven herum hat ein Künstler moderne Plastiken gruppiert. Es bleibt offen, in welcher Beziehung die etwas zerknautschten Figuren zum großen Komponisten stehen.

Während ich noch über Beethoven und seine Groupies nachdenke, fällt mein Blick auf den Torre de las Américas. Er war einst Mexikos Wahrzeichen, höchstes Gebäude der Stadt und wurde als eines der ersten Hochhäuser erdbebensicher erbaut. An der Turmspitze leuchten abwechselnd die Nationalfarben und eine digitale Zeitanzeige auf. Das wirkte einmal modern, doch die verblichenen Gardinen und windschiefen Rollos in den Fenstern bestätigen, dass die großen Zeiten des Gebäudes vorbei sind. Heute prägen die weitaus eleganteren Wolkenkratzer im Geschäftsviertel an der Reforma die Silhouette der Stadt.

Beethoven und Humboldt atmen Höhenluft
Der Alameda Park erfreut den Besucher mit den glockenförmigen purpurfarbenen Blüten der Jacaranda Bäume. Bänke rund um die Springbrunnen laden zum Verweilen ein. Doch morgens treffen sich hier vor allem die Frühsportler. Einige tragen Atemschutz über Mund und Nase, denn in der dünnen Höhenluft beißen die Abgase der Millionenstadt zuweilen spürbar in der Nase.

Auf der Madera MexicoAuf der Ave. Francisco I. Madero

Nachdem ich am äußersten Ende des Parks eine Statue Alexander von Humboldts – der Forscher bereiste Mexiko vor gut 200 Jahren – umrundet habe, laufe ich wieder in die Altstadt zurück. Gleich zu Beginn der Fußgängerzone in der Madero steht die einzigartige Casa de los Azulejos, ein Haus, das vollständig mit blau bemalten Kacheln getäfelt ist. Das Café darin ist gut besucht. Der Tag ist erwacht. Auf den Straßen und Wegen von Mexiko-Stadt ist jetzt nur noch Schritttempo möglich.

Weiße Villen an blauem Wasser: Rund um die Hamburger Außenalster

Aussenalster 1

Zugang zur Außenalster über S-Bahnhof Hamburg Dammtor und Alsterterasse. Rundlauf am Uferweg entgegen dem Uhrzeigersinn: Restaurante Portonovo – Kennedybrücke – An der Alster – Schwanenwijk – Schöne Aussicht – Fährhausstraße – Herbert -Weichmann-Straße – Langenzugbrücke – Bellevue – Fernsicht – Bobby Reich – Krugkoppelbrücke – Westuferweg – AlsterCliff – Alsterufer – Dammtor; 8,2 km.

Hamburg aussenalster Juli 2018 8,2 km

 

Schönste Laufstrecke in Hamburg
Der Lauf um die Außenalster gilt als einer der schönsten in der Hansestadt. Doch wer hier joggt, ist selten allein. Da laufen Paare und Gruppen, und wer ohne Kompagnon ist, hat sich diese weißen Stöpsel in die Ohren gesteckt. Manche aus der 50+ Generation laufen indes noch mit freiem Gehörgang herum. Das lohnt sich durchaus, denn die einzigartige Lage dieser wunderschönen Seenlandschaft inmitten der Großstadt hat einen abwechslungsreichen Soundpotpourri von flatternden Segeln im Wind, knirschendem Kies unter den Füßen, fröhlichen-schreienden Kindern auf den Spielplätzen, schnatternden Gänsen und brummenden Motoren zu bieten.
Ich starte den Rundlauf an einem für diesen warmen Sommer ungewöhnlich kühlen Sonntagnachmittag. Der Uferweg ist nur mäßig bevölkert, Slalomläufe durch Fußgängergruppen, wie an sonnigeren Tagen, stehen heute nicht auf dem Programm.
Entgegen dem Uhrzeigersinn jogge ich vom südöstlichen Zipfel der Außenalster und überquere als ersten markanten Orientierungspunkt die Kennedybrücke, welche Binnen- und Außenalster voneinander trennt. Hinter der Brücke nähere ich mich schnellen Schrittes dem bekanntesten Hotel Hamburgs, weil hier ein Altrocker seit Jahren sein Quartier aufgeschlagen hat. Für diese Langzeitwerbung hat Udo Lindenberg mit dem Hotel Atlantic sicherlich Sonderkonditionen ausgehandelt, denn der Listenpreis für die Zimmer dürfte seine Tantiemen auf Dauer belasten. Am Ostufer passiere ich den Hamburger Segel-Club. Etliche Boote sind auf dem Wasser, denn der Wind hat ordentlich aufgefrischt. Auf der nahegelegenen Picknickwiese ist dagegen nicht viel los. Statt Grillgäste lümmeln hier Nilgänse herum.

Trinkstation

Am Schwanenwijk erreiche ich die Markierung für die offizielle Hälfte des Rundlaufs. Die Hamburger Wasserwerke haben hier freundlicherweise eine gern genutzte Trinkstation eingerichtet. 3,8 km weiter, am gegenüberliegenden westlichen Ufer, gleich neben dem Café AlsterCliff, steht die offizielle Start- und Zielmarke des Alsterrundweges, gestiftet vom Generalkonsulat der Republik Kroatien, auch hier wieder mit Trinkstation. So macht man sich mit guter Werbung Freunde.

An der Fährhausstraße gelange ich zu dem Punkt, an dem man sich nicht verlaufen darf. Denn gleich hinter der Moschee des „Islamischen Zentrums Hamburg“ geht es nach rechts von der Alster weg, um wenig später links, über die Brücke, den Langenzugkanal zu überqueren und zum Uferweg zurückzukommen.
Träume in Weiß
Die Bürgerhäuser rund um die Außenalster sind von schlichter hanseatischer Eleganz und in Weiß gehalten. Die ansehnlichen Karossen, die davor parken, haben in der Regel keine Kratzer im Lack. Weiß wird ja manchmal als die Farbe der Unschuld bezeichnet. Und so wirbt auch Helene Fischer großflächig von jeder Litfaßsäule in weißem Outfit für ihr bevorstehendes Konzert im Volksparkstadium.

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In bester Lage an der Nordspitze der Alster hat sich Bobby Reich mit Café und Bootssteg angesiedelt. Wer mit Leihkanus in den Alsterkanälen an schmucken Villen vorbeipaddeln und anschließend ein Magnum-Mandel-Eis mit traumhaftem Seeblick knuspern will, kommt an dieser Hamburger Institution nicht vorbei.

Freizeit für alle
Die 2,5 Laufkilometer am Westufer lassen an Abwechslungen nichts zu wünschen übrig: Cafés, Fitnessgeräte und Toiletten, Spielwiesen für Menschen und Hunde (eine „Hundeauslaufzone“ ist nach Hundegesetz § 6, Absatz 3, Satz 1 akkurat ausgewiesen!), Parklandschaften und Seerosenteiche. Auch die Ruderer kommen mit den pfeilschnellen und gerade einmal zwei Hände breiten Rennbooten auf ihre Kosten. Ein tolles Freizeitangebot für alle Hamburger! Schon fast am Ziel und wieder zurück in der Innenstadt passiere ich schließlich den großen Gebäudekomplex des US-Konsulats. Auch dieses Anwesen ist ganz in Weiß gehalten und in diesen stürmischen Tagen der transatlantischen Freundschaft wahrscheinlich noch ein bisschen strenger als sonst bewacht.

 

Zwischen den Fronten: Tallinn, Estland

403 (2)Altstadt Tallinn

Rundlauf durch die mittelalterliche Unter- und Oberstadt: Kuninga 1 – gegen Uhrzeigersinn in nordöstlicher Richtung auf Vana turg und Viru – links an der Stadtmauer entlang in Müürivahe – Munga – Vene – Bremeni kalk – aus Altstadt heraus durch Stadtmauer auf Uus – hinein in Altstadt durch Stadttor „dicke Margarete“ – Pikk – rechts an der Stadtmauer entlang – Lai – Laboratooriomi – Kooli – Gümnaasiumi – Väike-Kloostri – auf Nunne rechts aus der Stadt heraus – Toompark – Hirvepark – Tompea – Alexander Nevski Kathedrale – Parlament – Tomkirik – Aussichtsplattform Patkuli – zurück über Lossi plats – Lühike jalg – Dunkri – Raekoja Plats (Rathausplatz) – Vana turg – Kuninga; 4,3 km.

Tallinn Mai 2018 4,3 km

Immer an der Mauer 
Im Grunde ist es egal, ob man im mittelalterlichen Tallinn links oder rechts herum, innerhalb oder außerhalb der noch weitgehend intakten Stadtmauern joggt. Der Gesamteindruck bleibt überwältigend. Denn es mutet an, als habe die Stadt, die früher Reval hieß, ihre Blüte aus dem 14. Jahrhundert bis in die Neuzeit hinüber gerettet. Dabei ist der mittelalterliche Charme der von der UNESCO zum Kulturerbe der Menschheit dekorierten Altstadt durchaus trügerisch. Tallinn ist in seiner langen Geschichte immer wieder zwischen die Fronten der benachbarten Mächte geraten. Im frühen 13. Jhd. eroberten dänische Truppen mit päpstlichen Segen die Stadt, kurz darauf setzte der Deutsche Orden die Missionsarbeit fort und verband dies mit guten Geschäften. Die Kirchenleute richteten sich fürstlich auf dem Domberg in der Oberstadt ein. Heute residieren Diplomaten in den schmucken Palästen. Kaufleute und Handwerker, viele davon Söldner aus deutschen Hansestädten, ließen sich in der Unterstadt nieder. Tallinn wurde prosperierende Hansestadt und gab sich selbstbewusst das Lübecker Stadtrecht.
Tallinn liegt strategisch günstig am südlichen Ausgang des Golfs von Finnland. Wer hier seine Kanonen platziert, kontrolliert den Seeweg nach St. Petersburg. Da wundert es nicht, dass mit den Zeitläuften auf der einen Seite das zaristische Russland, die Sowjets und Putins Reich und auf der anderen Seite Dänen und Schweden, deutsche Ritter-, Reichs- und Nazitruppen, EU und NATO immer wieder danach trachteten, das kleine Juwel unter ihren Herrschafts- und Einflussbereich zu bringen. Weil Kriege dem Wohlstand aber auf Dauer abträglich sind, verlor Tallinn als Handelsstadt zusehends an Bedeutung. Aus touristischer Sicht ist das erfreulich, denn die Altstadt hat ihren spätmittelalterlichen Charakter bis heute fast gänzlich erhalten.

DSCF4246Die Drei Schwestern

Software und leckeres Essen
Wir beginnen unseren Morgenlauf inmitten der Altstadt vor dem ehemaligen Bischofssitz in der Kuninga 1, also der Königstraße. Schräg gegenüber liegt das Restaurant Olde Hansa, in dem mittelalterlich gekleidete Kellner ebensolche Speisen darbieten. Wir lassen diese „must go when you are in Tallin – location“ links liegen und traben bei angenehmen frühsommerlichen Temperaturen auf der Einkaufsstraße Viru auf das gleichnamige östliche Stadttor zu. Kurz vor den mächtigen Rundtürmen biegen wir links ab in die kleine Gasse Müürivase, was ein bisschen nach Mauer klingt und tatsächlich auch an dieser entlang führt. Die roten Lämpchen eines einschlägigen Etablissements in den Mauernischen sind am Morgen erloschen. Ein kurzer Abstecher führt uns in die St. Katharinengasse, mit ihren Lädchen und Gewölben eine kleine Idylle. Nach ein paar weiteren Ecken durchqueren wir auf der Bremeni kalk die Stadtmauer und biegen links auf die Uus Gasse. An der äußeren Stadtmauer findet sich das „Rest ja Aed“, erwähnenswert wegen seiner besonders guten estnischen Küche. Östlich der Altstadt blicken wir auf das futuristische Rotermann-Quartier. Hier zeigt sich das moderne Tallinn, und wir beginnen zu verstehen, warum das längst im Digitalzeitalter angekommene Estland zu den Tigerstaaten der Europäischen Union gehört. Die Software zu Skype, mit der die Videotelefonie ermöglicht wurde, wurde übrigens in Estland geschrieben.
Gute Adressen
Nun ist die „dicke Margarete“ nicht mehr zu übersehen, und genau dies war die Absicht ihrer Erbauer. Mauerstärke und Schießscharten lassen keinen Zweifel an der Verteidigungsbereitschaft der Stadt aufkommen, denn der mächtige kreisrunde Geschützturm im Norden der Altstadt bewacht die „große Strandpforte“. Wie damals die Händler, die ihre Waren vom Ostseehafen Revals auf die Märkte der Stadt brachten, laufen auch wir durch die Strandpforte wieder in die Altstadt hinein. Von hier gelangt man auf die Hauptstraßen Pikk und Lai, damals wie heute gute Adressen, wie die vielen spitzgiebeligen Handels- und Bruderschaftshäuser sowie die Luxuslimousinen am Straßenrand belegen. Passanten erkennen den Status der Hausbewohner bereits an den kunstvollen Schnitzereien der hölzernen Eingangstore. Wir aber nehmen eine Nebengasse, und auf den groben alten Kopfsteinpflastern hüpfen wir geradezu weiter an der Stadtmauer in südwestlicher Richtung entlang. Die Straßen heißen hier Laboratooriumi und Gümnaasiumi. Man ahnt, was sich hinter der estnisch-ugurischen Version dieser vertrauten Wörter verbirgt.

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Haus und Wappen der Schwarzkopf-Bruderschaft

An der Öffnung der Stadtmauer bei Nunne laufen wir aus der Altstadt hinaus und durch die adretten Grünanlagen von Dom- und Hirvepark. Am frühen Morgen arbeitet hier schon ein Filmteam. Hauptdarsteller ist ein halbnackter Yoga-Mann in Baumhaltung.
Allerbeste Freunde
Auf der Südseite der Stadt angelangt, keuchen wir nun die Tompea-Straße hinauf auf den Domberg und direkt auf die russisch-orthodoxe Alexander Nevski Kathedrale zu. Russland hat diesen Prachtbau mit List direkt vor die Domburg und das später dort eingezogene estnische Parlament erbauen lassen. So vergisst man nie, dass der Anspruch der Esten auf Unabhängigkeit, den sie erstmals 1918 formulierten, immer von der mehr oder weniger wohlwollenden Haltung des übermächtigen Nachbars im Osten abhängig war (und wohl immer noch ist).

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Gotisches Rathaus

Wir lassen die Politik jedoch links liegen und traben durch die Oberstadt an der alten Domkirche vorbei bis zur beliebten Aussichtsplattform Patkuli. Auf dem Postkartenblick in die Unterstadt besticht die nicht enden wollende Spitze des Turms der St. Olai Kirche, angeblich einmal der höchste Kirchturm der Welt. Aber der Blick schweift auch jenseits der Altstadt über Plattenbauten aus der Sowjetzeit.

Über Lossi plats und vorbei an der schmucken Residenz des deutschen Botschafters gelangen wir über die Treppen des Lühike Jalg zurück in die Unterstadt und auf den Raekoja plats, mit seinem bestens erhaltenen gotischen Rathaus aus dem frühen 15. Jahrhundert. Die Marktstände werden gerade aufgebaut. Ein neuer schöner Tag beginnt.

Von Bibern und Bergspitzen in der Zugspitzarena: Ehrwald/ Tirol

Zugspitze

Rundstrecke:  Lische 13 im Ortsteil Hof – Pfeffermühle – Gaisbachbrücke – Altmühlensteig – Tennisplatz – Innsbrucker Straße – Weidach – Ehrwalder Becken – Loisachbrücke – Biberwier – Ehrwalder Straße – Römerstraße – Tummebichl-Hügel – Modellflugplatz – Golfplatz – Loisachbrücke – Ehrwald – Kirchplatz – Martinsplatz  – Hölzli – Ganghoferstraße – Haag – Pitztaler Hof;  9,5 km.

Ehrwald, 9,5 km April 2017

Großes Alpenkino
„Hohe Wand, Breitenkopf, Igelskopf, Tajakopf, Sonnenspitze, Wampeter Schrofen, Handschuhspitzen, Wannig,  Grubigstein, Bleispitze,  Daniel, Zugspitze, Schneeferner Kopf…“  Als Bub konnte ich alle Berge und Gipfelhöhen rund um das Ehrwalder Becken auswendig daher sagen.  Bei unserem heutigen Lauf erleben wir dieses grandiose  Alpenpanorama wie in einem 360-Grad-Kino aufs Neue.  Im Tal blühen die Sumpfdotterblumen, auf den Bergspitzen liegt der Osterschnee.

Wir starten unseren Lauf im Oberdorf und traben an einigen der ältesten Höfe des Dorfes vorbei.  Bis ins 20. Jahrhundert hinein lebten die Menschen in Ehrwald von der Vieh- und Almwirtschaft.  Ihre Vorfahren bauten Fassdauben für den lukrativen Salzhandel oder schufteten in den Silberminen  hoch oben in den Mieminger Bergen. In den letzten Jahrzehnten ist der Tourismus zur neuen Lebensader des Dorfes geworden.  In den Nachkriegsjahren nannte man das noch „Fremdenverkehr“.

Flüchtlinge aus Hitler-Deutschland
An der Straße zur Ehrwalder Alm passieren wir ein Haus, in dem einst die Gaststätte „Pfeffermühle“ betrieben wurde.  Sie erinnert an das gleichnamige Kabarett im München der 1930er Jahre. Weil es mit der Machtergreifung Hitlers schließen musste, gehörte Erika Mann, die älteste Tochter von Vater Thomas, zu den ersten „Fremden“, die in jener Zeit aus Deutschland in das grenznahe Ehrwald flüchteten.

Wir überqueren den Gaisbach, ein eiskaltes Gebirgsgewässer. Parallel zum Bach führt der Altmühlensteig rechts hinunter in den Talkessel.  Ein breiter werdendes Wiesenstück diente einst als Landeplatz der Ehrwalder Sprungschanze. In den 1930er Jahren wurden Ehrwalder Skispringer mit Weiten bis zu 40 Meter österreichische Meister. Bis in die 1960er Jahre hinein schmiegte sich das in die Jahre gekommene Holzgerüst zwischen Fichten und Lerchen an den Berghang.

Vorbei an Tennisplätzen und Eislaufbahn folgen wir dem Gaisbach bis zu einem geräumigen Rückhaltebecken, das die Anwohner des Ortsteils Weidach vor Überschwemmungen schützt. Ein Feldweg  führt mitten hinein in das Ehrwalder Moos. Hier eröffnet sich ein einzigartiger Rundblick auf die bis zu 3000 Meter hohe Bergkulisse. Wir sehen die Mieminger Kette mit der steil aufragenden Sonnenspitze im Süden, die Ausläufer der Lechtaler und Ammergauer Alpen mit Grubigstein und Daniel im Westen und den Zugspitzgipfel am nordöstlichen Rand des gewaltigen Wettersteinmassivs.

Mieminger Kette

Zahlreiche Gewässer haben den Talboden zum Feuchtgebiet gemacht, weshalb ein Provinzfürst einmal den kühnen Plan hegte, die Loisach samt ihrer Zuflüsse zu einem See zu stauen. Daraus wurde nichts. Stattdessen wurde das „Moos“ in den 1990er Jahren wegen seiner einzigartigen Flora und Fauna unter Naturschutz gestellt.

Wir laufen entlang der noch jungen Loisach flußaufwärts in Richtung Biberwier. Glasklar mäandert der Bach zwischen halbhohen Kiefern. Forellen stehen scheinbar reglos gegen die Fließrichtung im Wasser. Einen Augenblick später sind sie blitzartig verschwunden. Hoch oben kreist ein Rotmilan. Die Hochspannungsleitungen scheinen ihn bei der Mäusejagd nicht zu stören. In Biberwier biegen wir rechts in die Römerstraße ein. Das ist die bei Fernradlern beliebte Via Claudia Augusta, jene alte römische Verbindung von der Adria bis zur Donau. Um das unwegsame Ehrwalder Moos zu durchqueren, bauten die Römer einst mit Tausenden von Baustämmen eine schwimmende Wegbefestigung. Heute ist die Römerstraße ein geteerter Landwirtschaftsweg und schmückt sich zudem als Außerferner Jakobsweg mit dem Zeichen der gelben Muschel.  In jüngster Zeit ist nun auch noch eine Lamaherde an die Römerstraße gezogen. Unklar bleibt, wer wenn intensiver anglotzt, die Lamas die Passanten oder umgekehrt?

 Die Biber sind da
Wir trotten links um den Tummebichl-Hügel, der noch aus der Eiszeit stehen geblieben ist. Wie aus einer vergangenen Zeit  stehen auf den Wiesen ein paar alte Heustadel. Denn inzwischen werden auch hier die Heuballen in Plastik verpackt.  Am Loisachufer findet man immer mehr Bäume, deren Stämme kunstvoll in Form einer Sanduhr eingekerbt sind.  Untrügliches Zeichen, dass sich hier wieder Biber angesiedelt haben. Nicht jeder mag indes die putzigen Nagetiere. Denn die eifrigen Tunnelbauer untergraben gern die benachbarten Wiesen und Felder.

Am Golfplatz  überqueren wir wieder die Loisach und laufen Richtung Ehrwald zurück.  Die Christuskreuze am Wege sind mit Tüchern verhangen, wie es der Brauch in der Karwoche gebietet.

Martinsplatz

In steilem  Anstieg laufen wir ins Dorf hinein, passieren die Traditionsgaststätte „Grüner Baum“, joggen am Schuhladen des Ignaz Guem und am Restaurant „Castagno“ vorbei, überqueren den Kirchplatz und gelangen schließlich auf den Martinsplatz. Von alten Bauernhäusern aus dem vorletzten Jahrhundert umsäumt, ist dies der schönste Dorfanger im Außerfern. Meist hört man hier nur das Plätschern der Brunnen. Doch alljährlich am 1. Mai blöken die Schafe auf dem traditionsreichen Viehmarkt.  Und im Juni/ Juli folgt dann der Startschuss für die Ultratrail-Läufer, die rd. 100 Kilometer rund um das Zugspitzmassiv laufen. Wir traben unterdessen nur noch ein paar Hundert Meter durch das  Hölzli-Viertel und gelangen über verwinkelte Fußwege wieder hinauf ins Oberdorf. Am Pitztaler Hof sind wir am Ziel.

 

Am Wellenschlag des Bodensees: Konstanz

Rundstrecke: Neugasse (Altstadt), Rosgartenstraße, über Marktstätte in die Tirolergasse, links in die Münzstraße, rechts in die Wessenbergstraße, im Uhrzeigersinn um das Münster herum, über Münsterplatz und in leichter Rechtskurve über Brückengasse auf die Konzilstraße. Den Rhein überqueren bis zum Sternenplatz. Rechts auf die Seestraße und immer am See entlang bis zur Bodenseetherme. Weiter auf dem Wendelgardweg bis zur Landspitze „Hörnle“. Zurück auf demselben Weg. Jenseits der Rheinbrücke über Stadtgarten, Imperia, Hafengelände und über die Gleise, Bodan- und Rosgartenstraße zurück in die Neugasse; 9,2 km.
Konstanz 9,2 km Mai16_Jan17 Karte2

Wir starten vom kleinsten Haus in der Neugasse am südlichen Ende der Konstanzer Fußgängerzone. In nördlicher Richtung geht es auf der Rosgartenstraße und Tiroler Gasse mitten durch die Altstadt. Die schlauen Konstanzer haben im 2. Weltkrieg rechtzeitig vor den Bombern der Alliierten das Licht ausgemacht und erfreuen sich deshalb bis heute an einer fast intakten Altstadt, deren mittelalterlicher Gebäudebestand bis auf das 13. Jahrhundert zurückgeht.

In der Münzgasse werfen wir einen schnellen Blick in das Voglhaus.  Das Café besticht durch astreines Design, eine ansprechende Speisekarte und ein ansehnliches 33-Frauen-Team.  Von hier ist es nicht mehr weit bis zum Münster, das allerdings nur Einer Lieben Frau gewidmet ist.  Im Uhrzeigersinn umrunden wir den mächtigen Sakralbau und gelangen über den Münsterplatz und durch die verwinkelte Brückengasse in die Niederburg, dem ältesten Teil der Stadt.  Auf der Konzilstrasse sind wir wieder im neuzeitlichen Verkehr angekommen,  obwohl der Straßenname an ein Jahrhunderte altes Kuriosum der Kirchengeschichte erinnert.  Von 1414 bis 1418 fand das sog.  Konzil von Konstanz statt, bei dem gleich drei miteinander streitende Päpste durch einen neuen Pontifex ersetzt werden mussten,  um die Einheit der  römischen Amtskirche wieder herzustellen.  Dass diese spirituelle Erneuerung  von handfesten Machtkämpfen begleitet wurde, verwundert Kenner der Kirche nicht.  Die ehrwürdigen Mitglieder des Konzils waren aber auch irdischen Ablenkungen gegenüber keineswegs abgeneigt. Darüber mokiert sich die üppige Kurtisane Imperia. Ihre Statue steht in der Hafeneinfahrt von Konstanz. Bei neun Metern Höhe und entsprechender Oberweite ist ihre erotische Ausstrahlung nicht zu überbieten.

Foto 06.01.17, 12 21 27Die Ränkespiele der Päpste lassen wir nun hinter uns und überqueren den noch jungen Rhein, der an dieser Stelle gleichsam aus dem Bodensee heraus gespült wird, um seinen 900 km langen Weg bis zur  Mündung in die Nordsee anzutreten.  Am Sternenplatz biegen wir rechts in die Seestraße ein und laufen nun gute drei Kilometer immer am Seeufer entlang bis zum sog. Hörnle, der östlichsten Landspitze von Konstanz.

Dieser Streckenabschnitt ist an Schönheit und Abwechslung schwer zu überbieten. Jenseits des dunkelblauen Seewassers erheben sich die verschneiten Schweizer Alpen, diesseits streiten sich Enten, Schwäne und Haubentaucher um die Brotkrumen einer gutmeinenden Dame. Herrschaftliche Häuser  aus der vorletzten Jahrhundertwende säumen die Uferstraße.  Die Platanen verharren im winterlichen Kurzhaarschnitt.  Wir passieren das Konstanzer Casino, die prächtige Jugendstilvilla des Riva Hotels, den Yachthafen, großzügige Seniorenresidenzen und postmoderne Neubauten. Fähren kreuzen, Hunde ziehen ihre Besitzer hinter sich her, ein Zeppelin schwebt vorbei. Auf dem Kieselstrand wärmen sich  Steinmandel in der Sonne, und der leichte Wellenschlag des Sees beruhigt auch die letzten noch unruhigen Gemüter.

Nach einer Linkskurve um den Stiegler Park taucht das großzügige Gelände der Bodenseetherme auf, Sommer wie Winter ein Wasserspass für  alle Altersklassen.  Wir laufen weiter auf dem Wendelgardweg, lassen das hübsche Schloss Seeheim links liegen und gelangen schließlich in das  weiträumige Strandbadgelände am Hörnle.

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An der äußersten Spitze der Landzunge verscheuchen wir eine Möwe, um dann auf unseren Spuren wieder zurück in die Altstadt von Konstanz zu traben. Noch bevor wir die Rheinbrücke überqueren,  sehen wir  in wundervoller Insellage direkt vor der Altstadt das prachtvolle Gemäuer eines ehemaligen Dominikanerklosters liegen. Hier hat sich jetzt das Steigenberger Hotel  einquartiert. Über den  Stadtgarten laufen wir in den Konstanzer Hafen, erweisen der barbusigen sich langsam im Kreis drehenden Imperia unsere Ehre, joggen die Hafenstrasse weiter und überqueren schließlich über eine Fußgängerbrücke die Bahngleise in die Schweiz.  Über Bodan- und Rosgartenstraße sind wir schnell wieder in der Neugasse angekommen.

 

 

Aufbruch in die Zukunft – Utrecht 2030

Utrecht Dom (2)

Rundstrecke: Paramaribo Straat im Stadtteil Lombok – Keulsekade Kanal – über zwei Schleusen auf Kanalweeg – über zwei Brücken auf Leidseweg – Bahnhofsunterführung (Centraal Station) – über Catharijnesingel und Brücke in die Altstadt von Utrecht – gegen den Uhrzeigersinn auf Parkwegen entlang (oder nahe) der Stadsbuitengracht um den alten Stadtkern herum – über Knipstraat durch Bahnhofsunterführung – Moschee – Kanaalstraat – Makassarstraat – Paramaribostraat;  9,85 km.

Utrecht 1Jul2017 9,85 km

Viertelvorsieben – ein lauer Samstagabend in Utrecht. Der niederländische Sommer meint es gut mit uns. Das Thermometer zeigt über 20 Grad, die Regenwolken sind wie weggeblasen.

Alte Universitätsstadt
Wir laufen durch eine der schönsten Städte der Niederlande und erleben, wie die alte Universitätsstadt einen radikalen Aufbruch in die Zukunft unternimmt.  Wir starten in Lombok, westlich der Altstadt gelegen, am beschaulichen Keulsekade Kanal. Wasser zieht die Menschen  immer an. Wir treffen auf Spaziergänger, Jogger und Hundeausführer und laufen an den gepflegten kleinen Vorgärten traditioneller Hausboote vorbei. Nach der Überquerung mehrerer Schleusen und Brücken biegen wir links auf den Leidseweg, der wiederum entlang eines Seitenkanals Richtung Innenstadt führt.  An den Kaimauern liegen nun große zweistöckige Hausboote in schickem Design. Tatsächlich sind es aber gar keine Schiffe mehr, sondern Stadtvillen auf schwimmenden Betonplatten, die im hochpreisigen Segment des lokalen Immobilienmarktes gehandelt werden.  Wie zur Bestätigung sind in die Bürgersteige des Leidseweg stark vergrößerte Exemplare von Euromünzen eingelassen.  Eigentlich sind diese aber ein Hinweis darauf, dass wir gerade an der staatlichen Münzprägeanstalt, der Muntgebouw Utrecht, vorbeilaufen.

Aufbruch in die Zukunft
Am Ende des Leidseweg geraten wir in die vermutlich größte Baustelle der Niederlande. Denn die viertgrößte Stadt des Landes schickt sich an, mit dem gigantischen Bahnhofsneubauprojekt  „Utrecht Centraal 2030“ die Zukunft zu gestalten.  Utrecht ist der wichtigste Eisenbahnknotenpunkt des Landes.  Zugleich entsteht  in Leidsche Rijn, im Westen der Stadt, ein großes neues Wohnquartier, das mit einer Fahrradschnellstraße an den Bahnhof  angeschlossen wird. Das Bahnhofsprojekt versucht, die wichtigsten Verkehrsmedien der Zukunft – Schiene, Fahrrad, Wasser und Straße – intelligent miteinander zu verbinden.  Videoanimationen von „UC 2030“ zeigen, wie es einmal aussehen wird:  Die Stadsbuitengracht, ein teilweise zugeschütteter Kanal rund um die Altstadt, wird im Bahnhofsbereich wieder ausgebaggert.  Der traditionelle Wasserlauf wird in die moderne Architektur eingebunden werden und zum Teil unter Glasplatten verlaufen.

Utrecht BAhnhofDarüber entstehen auf mehreren Ebenen öffentliche Plätze, Fußgänger-, Einkaufs-,  Hotel- und Bürozonen sowie Konzertsäle. In den Untergeschossen des Bahnhofskomplexes wird mit 12.500 Stellplätzen der größte Fahrradparkplatz Europas gebaut werden. Radfahrer werden in die Tiefgaragen fahren, parken und direkt in öffentliche Verkehrsmittel umsteigen können. Das einzigartige Projekt soll bis 2030 fertig werden. Ein erster Bauabschnitt wurde bereits im April 2017 eingeweiht. (https://www.youtube.com/watch?v=ynIRAhoqoBc;    https://www.youtube.com/watch?v=lzNGdg4Y_gI)

Utrecht Fahrradparkplatz

Quer durch die Baustelle bahnen wir uns einen Weg durch den gegenwärtig  noch oberirdischen und  in seinen Ausmaßen jetzt schon beeindruckenden Fahrradparkplatz, laufen entlang der alten Durchgangsstraße, unterqueren die Zuggleise und gelangen schließlich über eine Brücke der hier wieder wasserführenden Stadsbuitengracht in die Altstadt von Utrecht.  Was für ein Gegensatz zum Megaprojekt am Bahnhof! Hier sieht die Stadt wieder so aus wie auf den Touristenprospekten.  Adrette Reihenhäuser entlang hübscher Grachten, ehrwürdige Universitätsgebäude, Straßen und Wege mit rotem Backstein, gepflastert in Fischgräten-muster. Und wo man auch läuft, immer sieht man den gotischen Kirchturm des Doms, mit 112 Metern das höchste kirchliche Bauwerk der Niederlande.

Entlang der Stadsbuitengracht
Wir biegen gleich rechts in südlicher Richtung auf den Parkweg Sterrenburg ein.  Er wird uns gut 5 km immer entlang oder nahe der Stadsbuitengracht rund um die Altstadt führen. Wir laufen vorbei an Resten der alten Stadtmauer und überqueren Oude und Nieuwe Gracht, also die  alte und neue Gracht,  die mitten durch die Altstadt führen. Wir treffen auf dem Spazierweg auf Kellner des Restaurants SYR, einer Initiative, die syrischen Flüchtlingen einen Wiedereinstieg ins Berufsleben ermöglicht.  Und wir werden von einer munteren Bootsparty überholt, die gemächlich durch die Gracht tuckert.  In den Grünanlagen tollen die Hunde, Grillfleischschwaden wehen um die Nase.

Utrecht Altstadtlauf

In der weniger beschaulichen nordöstlichen Ecke der Altstadt passieren wir das ehemalige Gefängnis in der Wolfenstraat, in dessen  Zellen nun Kunstausstellungen stattfinden. Wir traben durch ein paar hübsche Gassen und haben plötzlich wieder das Ende der Stadsbuitengracht und den Beginn der Großbaustelle rund um den Bahnhof erreicht.

Moschee mit Kebab Factory
Die Knipstraat führt uns zum Fahrradtunnel  unter den Zuggleisen,  dann laufen wir direkt auf Ulu Camii, der 2014 aus rotem Stein und hellem Stahl erbauten Zentralmoschee von Utrecht, zu.  Wären da nicht die beiden Minarette, man glaubte, ein großes Einkaufszentrum vor sich zu sehen.  Es überrascht auf den ersten Blick,  dass im Erdgeschoss der Moschee ein Restaurant untergebracht ist.  Die Kebab Factory ist gut besucht,  die Tische auf dem Vorplatz sind fast alle besetzt.  So kommen die Menschen in die Moschee.

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Wir sind wieder im Stadtteil Lombok, dem türkisch-islamischen Viertel von Utrecht. Hier heißen die Straßen Sumatra-, Borneo-, oder Javastraat. Gemüsehändler bieten ihre Ware im orientalischen Kaftan an. Ein schwarzer Mercedes dröhnt mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit durch die Kanaalstraat. Das wirkt so, als wäre hier ein neureicher Drogendealer unterwegs. In den Seitenstraßen wechseln die  kleinen Briefchen wesentlich diskreter ihre Besitzer.  Auf dem Bürgersteig überholt uns ein Mopedfahrer.  Auf dem Gepäckträger befördert er eine viereckige Isolierbox. Die Essensbestellung per Online-dienst wird immer populärer.  In West-Lombok stoßen wir wieder auf den Keulsekade Kanal. Ein paar Meter weiter sind wir zufrieden an unserem Ziel in der Paramaribostraat angekommen.

Utrecht, im Juli 2017

 

Laufspass auf der Stadtautobahn: Brasilia trotzt der Krise

Laufstrecke am autofreien Sonntag: Vom Hotel Kubitschek Plaza im Sector Hoteleiro Norte über die Stadtautobahn Richtung Regierungsviertel (Eixo Monumental). Nach  900 m auf die  Stadtautobahn  Süd (Eixo Rodoviario Sul) wechseln. Vom zentralen Autobahnkreuz kann die Nord-Süd Achse in beide Richtungen rd. 8 km belaufen werden. Wir laufen ein Teilstück in südlicher Richtung und auf gleicher Strecke wieder zurück zum Hotel;  8,2  km.

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Dieser Sonntagslauf über eine sechsspurige Stadtautobahn hat eine besondere Qualität. Die Sonne scheint am wolkenlosen Himmel, der Asphalt reflektiert gnadenlos die Hitze und bei nur leichter Brise sind es gefühlte 30 Grad. Autofreie Sonntage haben in lateinamerikanischen Metropolen Konjunktur. Große Verkehrsadern werden für den Freizeitsport gesperrt. In Brasilia ist die sechsspurige Nord-Süd-Stadtautobahn  in  einer Länge von 16 km für Radler und Läufer geöffnet.

Wir starten vom Hotel Kubitschek. Es ist benannt nach jenem Präsidenten, der 1960 die auf dem Reißbrett geplante neue Hauptstadt Brasilia einweihte. Auf einem schmalen Pfad laufen wir am Rande der Stadtautobahn Richtung Zentrum. Bürgersteige gibt es in Brasilia eher selten,  denn Oscar Niemeyer und seine Mitstreiter hatten die neue Hauptstadt mitten im Urwald als Autostadt konzipiert. Der Stadtplan Brasilias, der sog. Plano Piloto, hat die Form eines Flugzeugs. Das Regierungsviertel entstand am vorderen Rumpf des Fliegers entlang der zentralen Achse – dem Eixo Monumental. Wohnen, Einkaufen und Dienstleistungen wurden in die Flügel verlegt. Den Sitz der drei Staatsgewalten platzierte man weise ins Cockpit.  Die Planer wähnten Brasilien am Beginn eines gewaltigen  Modernisierungsschubes, der den Menschen Demokratie, Freiheit und Wohlstand – und ein eigenes Auto bescheren sollte. Manches hat sich anders entwickelt und die Vorstellung von dem, was urbanes Leben ausmacht,  über die Jahre verändert.

Inzwischen sind wir in Brasilias geographischem Zentrum angekommen – ein gigantisches Autobahnkreuz mit unzähligen Fahrspuren, Brücken und Unterführungen und ganz nebenbei auch ein Eldorado für Graffiti-Künstler. Um uns die Orientierung zu erleichtern, laufen wir jetzt im Automodus, so als ob wir hinter dem eigenen Steuer säßen. Wir manövrieren uns in einer großen Linkskurve in eine Unterführung hinein und auf die Stadtautobahn Richtung Süden. Hier unten herrscht ohrenbetäubender Lärm. Gleich vier Schlagzeuger sind im Einsatz und feuern Läufer und Radler an. Dieses Spektakel findet Anklang. Da muss man einfach das Smartphone  zücken.

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Im Tunnel ist es dunkel und angenehm kühl, doch vor uns beginnt bereits wieder die steil ansteigende Passage ans Tageslicht. Einige Radler müssen schieben. Wieder oben angelangt, eröffnet sich eine spektakuläre Sicht über die markanten Punkte der Hauptstadt. Im Nordosten steht auf einem Hügel der Fernsehturm der Stadt, ein kleiner Cousin des Eiffelturms. Neben den Gebäuden der Ministerien liegt gleich zur Linken das Viertel öffentlicher Banken. Es ist viel Symbolik in den Bauten. Der stilisierte Blitz an der Fassade der Banco do Brasil vermitteln Spannung und Aufbruch. Der nüchterne Bau der Zentralbank suggeriert Stabilität, und das eigenwillig gerippte Rundgebäude der Sparkasse Caixa Económica Federal könnte ein Zahnrad sein, das die Wirtschaft am Laufen hält. Richtung Südwesten stehen die markanten Doppeltürme von Senat und Abgeordnetenhaus, daneben der Kuppelbau des Plenarsaals.  Dahinter der Palácio do Planalto, Amtssitz des Präsidenten.

Politischer Machtkampf
Während die Menschen hier friedlich joggen und radeln, tobt im Regierungsbezirk  ein erbitterter Machtkampf. Nach und nach wird das politische Spitzenpersonal in die Wüste geschickt.  Korruption und Wirtschaftskrise haben den Ruf der Politiker ruiniert. An Straßenlaternen kleben Plakate. In großen roten  Lettern steht dort „Fora Temer – Fora Golpistas“ geschrieben. Der neue Präsident Temer soll seinen Hut nehmen. Die Anhänger Dilma Rousseffs werten ihre Amtsenthebung als Staatsstreich.  Auf anderen Schildern steht  „Tschau Querida“. Tschüss, meine Liebe – tatsächlich aber weint Dilma kaum einer eine Träne nach.

Es ist heiß auf der Straße, und die Läufer sind durstig. Das wissen auch die Wasserverkäufer auf ihren ambulanten Dreirädern. Wo Not ist, lockt  das Geschäft. Und in den brasilianischen Tropen sind immer auch die Kokosnussverkäufer zur Stelle. Unter einen schattigen Jacarandabaum hat einer ein paar Plastikhocker aufgestellt. An der improvisierten Bar findet das eisgekühlte Kokoswasser guten Absatz.

Nach gut 3 Kilometern auf der Stadtautobahn Richtung Rio de Janeiro – bis dorthin wären es noch weitere 925 km – kehren wir wieder um. Knallgelb blühende Bäume vermitteln ein wenig Naturgefühl. Die Fassaden der Wohngebäude zur Autobahn hin aber wirken wie ausgestorben. Denn das eigentliche Leben findet in den Wohnvierteln tief im Innern der Flügel statt. Auf dem Rückweg zum Hotel überqueren wir noch einige Verkehrsstraßen. An den Zebrastreifen halten tatsächlich die Autos an. Diese Kuriosität erlebt man in Brasilien nur in Brasilia.  Am Hotelpool sonnen sich die Schönen. Es sind wohl  jene, die auch sonntags lieber mit dem Auto fahren.

 

Zwischen Wüste und Wasser: Lima im Winterklima

Strecke: Vom Hotel NM im Stadtteil San Isidro (Ecke Av. Pardo y Aliaga und Calle Agustin) in südöstlicher Richtung über die Calle St. Maria bis zur Kulturstätte Huaca Pucclana. Rechts vorbei über die Elias Aguirre und E. de Habich auf die Calle Arica. Diese 2 km Richtung Küste und jenseits der Querstraße  Jose Pardo weiter auf der Calle Bolognesi und über den gleichnamigen kleinen Park hinweg laufen. Am Parque del Amor zunächst links am Malecón entlang bis zum Centro Larcomar.  Von dort wieder zurück auf dem  Laufweg  2,5 km bis zum Parque Maria Reiche.  Von hier stadteinwärts durch den Stadtteil Miraflores.  Über die Calle Toribo Pacheco in leichtem Anstieg über die Av. Gral Cordoba hinweg durch den Parque Blume  und Parque Baden Powell  in die Calle Jose del Llano Zapata bis zur Av. Los Conquistadores.  Auf dieser links  weiter stadteinwärts und über die Calle Puerto de Palos rechts zum Parque Olívar. Im Olivenhain rechts halten und über Constancio Bollar, Calle Carolina Vargas de Vargas, Calle Mariano José de Arce bis zur Av. Sta. Cruz laufen. Diese rechts hinunter bis zur Av. Pardo y Aliaga. Rechts halten bis zum Hotel; 9,7 km.

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Unser Rundlauf am Samstagmorgen führt uns durch Limas beliebte Stadtviertel San Isidro und Miraflores und in die Parklandschaften der Steilküste zum Pazifik. Wir starten in San Isidro, gleich gegenüber des traditionsreichen katholischen Colegio Maria Reina Marianistas. In südöstlicher Richtung steuern wir zunächst die Ausgrabungsstätte von Huaca Pucllana an.  Das Volk der Lima hat hier vor rd. 1500 Jahren, also noch vor der Inkazeit, kleine Lehmziegel zu großen Pyramiden aufgehäuft.  Durch die Gitter sehen wir Lamas über das Gelände laufen.

Lima ist eine Wüstenstadt, in der es fast nie regnet. Doch die Straßen und Gärten sind von blühenden Bäumen und Sträuchern gesäumt. Gärtner wässern die Rasenflächen, Hausangestellte wischen Eisengitter blank. Arbeiter der Stadtreinigung kehren gewissenhaft die Straßen. Die Betonplatten der Bürgersteige sind so blitzblank, dass man fast die Schuhe ausziehen möchte. Die Wohnviertel  werden von Bungalows und Apartmenthäusern geprägt.  Kleine Parks sorgen für Frischluft. Hier wohnt Limas gehobene Mittelschicht.  Die Menschen schützen sich mit hohen Grundstücksmauern, Gittern, Alarmanlagen und Wachmännern. Doch draußen auf der Straße wirkt alles friedlich. Hunde werden ausgeführt, häufig von Hundeausführern, die ganze Rudel spazieren führen.

Entgegen der Fahrtrichtung laufen wir auf der Calle Arica und Calle Bolognesi  rd. 2 km bis zum Pazifik hinunter. Die Querstraßen heißen Roma, Berlin, Venezia oder Madrid und erinnern an die Heimatorte europäischer Einwanderer. Unter ihnen war auch ein jüdischer Arzt aus Deutschland. Sein Sohn ist heute Perus Präsident Pedro Pablo Kuczynski.  

Mittendrin im Straßengewirr finden sich die vielen kleinen Restaurants, deren einfallsreiche Fusionsküche Lima zur kulinarischen Hauptstadt Lateinamerikas gemacht hat.  Der Chefkoch Gastón Acúrio  war einer der ersten, der die ungemeine Vielfalt traditioneller Nahrungsmittel aus dem Hochland der Anden bis zu den Gewässern des Pazifiks mit Raffinesse und gutem Marketinggespür auf die Teller der Hauptstadtrestaurants gezaubert hat.

An der Küste bietet sich ein spektakuläres Bild. Der für Lima so typische Winternebel  taucht die Landschaft in ein diffuses Licht. Das Steilufer wird von Parks  gesäumt. Skulpturen zeitgenössischer  Künstler mischen sich unter die Palmen. Gut 50 Meter tiefer rauscht die Brandung auf den Kieselstrand.  Surfer, nur  als kleine Punkte im Wasser erkennbar,  warten auf die perfekte Welle.  Auf einem Steg im Meer steht La Rosa Náutica, ein traditionelles Fischrestaurant. Am südlichen Horizont zeichnet sich das Künstlerviertel Barranco ab. Richtung Innenstadt verliert sich der Blick im Häusermeer. Rd.  9 Millionen Limeños leben hier, knapp ein Drittel der Bevölkerung Perus.

Mit Tradition in die Moderne
Am Malecón, der Uferstraße,  herrscht munteres Treiben.  Im Parque del Amor umarmen sich zwei riesige Gestalten. „Besame“ steht auf den vom katalanischen Künstler Gaudi inspirierten Mosaikbänken. Und natürlich folgen die Liebespaare diesen  Anweisungen nur allzu gern. Eine Frau mit langen schwarzen Haaren und hautengen Stretch-Jeans aus der Fernsehwerbung scheint auf ihren Liebhaber zu warten. Vorerst muss sie mit ihrem Smartphone vorlieb nehmen.

Wir laufen weiter in südwestlicher Richtung bis zum Larcomar. Dieses Einkaufs- und Vergnügungszentrum wurde in die Klippen der Steilküste gebaut.  An schönen Tagen rauschen Gleitschirmflieger vorbei. Wir schauen noch schnell in die Schaufenster der  Alpaka-Läden  und joggen dann  2,5 km  in nordöstlicher Richtung am Steilufer entlang bis zum Parque Maria Reiche.  Am rot-weißen Leuchtturm La Marina übt eine Yogagruppe Simultanbewegungen. Ein Mädchen in coolem Designer-Sportdress  lächelt  in das Smartphone ihrer Begleiterin.  Auf Facebook werden die Aufnahmen ihre Wirkung nicht verfehlen.

In den angrenzenden Tennisanlagen ist Hochbetrieb. Balljungen heben die Bälle auf, eine bei uns aus der Mode gekommene Annehmlichkeit. Wir passieren einen Kinderspielplatz, auf  dem sich nur Hunde tummeln,  ein paar Ecken weiter tanzt eine Gruppe zu Salsa aus dem Kofferradio.  Schließlich passieren wir Blumenbeete, die in merkwürdigen Schlangenlinien angelegt sind.  Mit diesem Park wird an die  deutsche Archäologin und Mathematikerin Maria Reiche erinnert, die sich um die Erforschung  der riesigen Wüstenzeichnungen bei Nazca im Süden Perus  verdient gemacht hat.

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Wir verlassen den Pazifik und biegen nun rechts ab in die Calle Toribo Pacheco. In leichtem Anstieg laufen wir wieder in die Stadt hinein. Indios putzen die Glasfassaden eines Hochhauses. Sonst sieht man sie in diesen Stadtteilen Limas nicht. Und doch wirkt Miraflores hier ein Stück bodenständiger.  Kleine Läden an der Ecke, Handwerksbetriebe und Autowerkstätten prägen das Bild. Wir laufen quer durch einen Park, der nach dem Musiker Baden Powell benannt ist, obwohl brasilianische Rhythmen diesseits der Anden weniger populär sind. Auf der eleganten Avenida Los Conquistadores warten Designerläden und edle Haar- und Nagelstudios auf die zahlungskräftigere weibliche Kundschaft. Wie überall, sind auch in Lima die Frauen gerne schön.

Über die Calle Puerto de Palos gelangen wir schließlich in den Parque Olívar.  Mitten in der Stadt steht hier ein über 400 Jahre alter Olivenhain. Rentner und Jogger mögen die entspannte Atmosphäre des Parks.  Auf der Ave.  Sta. Cruz passieren wir stilvolle Stadtvillen. Davor parken schwarze Limousinen.  Mit Tradition und Elan geht Lima modernen Zeiten entgegen.

Edinburgh, Schottland: Machtkämpfe, Blut und Dudelsack

Rundstrecke: Nicholsons Square (Old Town), Marshallstreet, Potterrow und Lothian Street über Fußgängerweg, Bristo Place, Candlemaker Row, Grassmarket, über Treppen und Fußgängerweg hoch zum Edinburgh Castle, Royal Mile über 1,6 km den Hügel talwärts über Castlehill, Lawnmarket, High Street, Canongate, North Bridge bis zum Scottish Parliament, Abstecher zum Palace of Holyroodhouse, dann Fußgängerweg am Parlament rechts vorbei, Queens Drive am Fuße des Holyroodhouse Park, über einen Steig auf die St. Leonhards Lane und über Rankeillor Street, Clifford Park, Buccleuchstreet, über den Moscheeplatz zurück auf den Nicholson Square. 5,2 km, etliche Höhenmeter auf z.T. steilen Auf- und Abstiegen.
01 Laufstrecke Edinburgh Mai 2016

Unser Lauf durch die Altstadt Edinburghs führt uns durch fast 500 Jahre wechselvoller Geschichte. Wir laufen steile Passagen auf und ab durch Ober- und Unterstadt und passieren Orte, die uns an Mord und Totschlag, Liebe und Eifersucht sowie an Macht- und Religionskämpfe erinnern. Wir erleben die Anfänge moderner Stadtentwicklung und begegnen Adam Smith, dem Autor von „Der Wohlstand der Nationen“.

Wir beginnen unseren Rundlauf am Nicholson Square in der Old Town, gleich neben dem „Aroma Cafe & Mosque Kitchen“ unweit der zentralen Moschee von Edinburgh.  Dies ist ein multikulturelles Viertel mit indischen, koreanischen, libanesischen, türkischen Kneipen, Läden von Lidl, der britischen Tesco Metro Kette und einem chinesischen Supermarkt.  „Ebony Ivory“ bietet Afro Hairstyling an und bei  „Eva’s Hair and Salon“ gibt’s die europäische Variante.

Über Potterrow , Lothian Street und Bristo Place laufen wir am Campus der University of Edinburgh und dem weitläufigen National Museum of Scotland vorbei.  Das Viertel atmet Tradition, auch wenn auf der Candlemaker Row heute keine Kerzen mehr gegossen werden. Dafür liegen in esoterischen Buchhandlungen Titel wie „Is Killing People Right?“ in den Schaufenstern.  Die Frage ist so abwegig nicht, denn in Schottlands Hauptstadt wurden Konflikte immer wieder blutig gelöst.  Notorisch war das  im 16. Jahrhundert.  Aus Schillers „Maria Stuart“ erinnern wir uns dunkel an die Hinrichtung der Mary Queen of Scots, nachdem sie den  Machtkampf mit ihrer Tante Elisabeth I., der Königin von England verloren hatte.  Lokale Chronisten berichten, dass der Scharfrichter mehrere Hiebe benötigte, bis der Kopf endlich rollte.  Aber auf unserem Lauf durch die Geschichte Edinburghs werden wir  erfahren, dass auch Mary kein Unschuldslamm war.  Die bisher letzte öffentliche Hinrichtung hat in Edinburgh übrigens vor gut 150 Jahren im Juni  1864 stattgefunden. Das lesen wir auf einer Gedenktafel auf dem Lawnmarket, einem zentralen Platz der Altstadt.

Maria Stuart kämpft
Die Candlemaker Row verläuft in einer leichten Linkskurve steil bergab in der Unterstadt bis auf den Grassmarket. Im Hintergrund eröffnet sich uns ein großartiger Blick auf das Edinburgh Castle. Es thront  hoch oben auf einem massiven Felsblock.  Wir laufen die Candlemaker Row hinunter und stehen nun  vor hohen Mauern aus unverputzten und  teils unbehauenen graubraunen Steinblöcken. Das wirkt wuchtig und ist bei regennassem nebligem Wetter auch ganz schön trist. Diese  fünf- bis sechsstöckigen Hochhäuser wurden schon im 17. Jahrhundert errichtet, um dem starken Bevölkerungszuwachs und den katastrophalen sanitären Verhältnissen Herr zu werden.  Edinburgh war  seinerzeit  eine der  am schnellsten wachsenden Städte Europas.

07 Hochhäuser

Heute reiht sich am Grassmarket eine Whisky-Kneipe an die andere. Am Abend muss man sich vor falschen Trinkfreunden in Acht nehmen. Denn viele missachten die goldene schottische Regel,  nach dem  10. Gläschen Schluss zu machen. Vom Grassmarket führt eine steile Treppe über die Castle Wynd South hoch hinauf zum Edinburgh Castle. Mehr keuchend als laufend gelangen wir auf den Vorplatz des Schlosses.  Näher kommen wir nicht heran, denn ein freundlicher Wachmann versperrt uns entschieden den Weg. Zu dieser Morgenstunde werden mit schweren Kränen die Tribünen für die Sommerfestivals aufgebaut.

Macht bestimmt Religion
Wir befinden uns nun am oberen Ende der sog. Royal Mile, die über 1,6 km vom Schloss bis hinunter  zum Palace of Holyroodhouse verläuft. Das ist jenes Schloss der Maria Stuart, in dem ihr eifersüchtiger Ehemann, der ehrwürdige Lord Darnley, ihren Privatsekretär und mutmaßlichen Liebhaber massakrieren ließ.  Die Rache blieb nicht lange aus, denn wenig später kam auch Darnley auf mysteriöse  Weise ums Leben.

Um diese morgendliche Zeit ist die Altstadt noch ruhig, und es ist augenscheinlich auch kein Blut geflossen. Die Schlösser und Museen haben noch  geschlossen und nur vereinzelte Tauben und Touristen trippeln  übers  nasse Kopfsteinpflaster. Wir laufen  auf der Royal Mile weiter den Hügel hinunter und genießen die frische Morgenluft und einen freien Lauf. Wenig später werden sich auf dem Lawnmarket zwischen den Statuen von David Hume und Adam Smith, Hunderte von Touristen vor Dudelsackspielern, Pantomimen, Schwertschluckern, japanischen Mandolinen Spielerinnen, Whiskyläden und Ständen mit karierten Kilts drängen.

Auf der Canongate verengt sich die Straße und wir stoßen regelrecht auf das alte Haus des streitbaren John Knox.   Der calvinistische Reformator setzte durch, dass der Presbyterianismus Staatsreligion in Schottland wurde. Damit war auch das Schicksal der Maria Stuart besiegelt. Denn Mary war katholisch und musste nun ihre Krone an ihren minderjährigen, aber nunmehr protestantischen Sohn abgeben.

Schottlands Denkerzellen 
Die Turmuhr der ehrwürdigen Toolboth Tavern, ein ehemaliges Zollhaus, zeigt inzwischen 8:15 Uhr.  Gleich daneben steht die Canongate Kirk. Rechts neben der Kirche das ehemalige Wohnhaus von Adam Smith, im Friedhof nebenan wurde der Moralphilosoph begraben. Ein paar hundert Meter weiter traben wir wieder in die Neuzeit  und stoßen auf den ultramodernen Bau des schottischen Parlaments. Seit dem unfreiwilligen Eintritt Schottlands  in das Vereinigte Königreich im Jahr 1707 sind sich Schotten und Engländer in herzlicher Abneigung verbunden. Doch erst 300 Jahre später haben sich die Kaledonier  jene Selbstbestimmungsrechte erkämpft, über die nun  im eigenen Parlament debattiert wird.  Der hinterlistige katalanische Architekt hat jedem Abgeordneten eine eigene Denkerzelle eingerichtet. Politische Entscheidungen wollen gut durchdacht sein.

02a Denkerzellen Parlament

Gleich hinter dem Parlament biegen wir rechts ab auf den Queen‘s Drive am Fuße des Holyrood Parks und laufen in leichter Steigung wieder Richtung Old Town. An den Abhängen des Hügels von Arthur‘s Seat blüht prächtiger gelber Ginster, doch der Felsgipfel bleibt im Nebel.  Am Queen‘s Drive ist an diesem Morgen viel Betrieb, die letzten Vorbereitungen für den  Edinburgh Marathon laufen auf Hochtouren. Außer Konkurrenz laufen wir fröhlich durch Start und Ziel, ermuntert durch lautstarke Rockmusik.  Nach einem knappen Kilometer auf dem Queen’s Drive erreichen wir  rechter Hand eine kleine Abzweigung und laufen über Treppen und Steige wieder in die Old Town hinauf. Ein paar Straßenecken weiter sind  wir wieder an der Edinburgh Moschee angelangt.  Es wirkt  friedlich in diesem bunten Altstadtviertel.  So als hätte es die ewigen Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten, zwischen anglikanischer und schottischer Kirche nie gegeben.  Heute schlendert ein schwarzhäutiger Muslim über den Moscheevorplatz.

 

Reykjavik, Island: Kalter Wind, heiße Quellen, coole Kneipen

Rundstrecke: Der Lauf beginnt am östlichen Ende der Laugavegur, Reykjaviks zentraler Einkaufstrasse, Ecke Snorrabraut.  Auf der Laugavegur bis zur Skolavördustigur und dann links die Anhöhe hinauf zur Hallgrimskirkja Kirche. Von dort auf der Njardargata wieder hinunter bis zum Stadtpark. Im Park rechts stadteinwärts halten und über die Brücke (Skothusvegur) den Stadtweiher überqueren. Rechts auf der Tjarnargata und der Adalstraeti durch die Altstadt und dann halblinks auf der Tryggvagata bis zum alten Hafen laufen. Von hier aus rechts halten und den Fuß- und Radweg am Kai entlang bis zum Konferenzzentrum Harpa und weiter am Wasser entlang am Wikingerschiff vorbei bis zur Ecke mit Snorrabraut laufen. Von hier wieder stadteinwärts bis zur Laugavegur.  6,3 km.

  Reykjavik 6,3 km Stadtlauf

Wenn der Wind vom Polarkreis weht, wird es frostig auf Reykjaviks Straßen, auch, wenn die Sonne schon am frühen Morgen hoch am Himmel steht. Doch in der nördlichsten Hauptstadt der Welt bleibt die Innenstadt auch an Wintertagen schnee- und eisfrei, denn Häuser,  Straßen und Plätze werden ganzjährig mit erdwarmem Wasser beheizt. Vielerorts pufft heißer Dampf aus dem Boden. Island sitzt buchstäblich wie ein Kochtopf auf der Feuerstelle. Dank seiner Lage, genau auf dem Riff zwischen der euroasiatischen und amerikanischen Erdplatte, gibt es in Island mehr vulkanische Aktivität als irgendwo sonst auf der Welt – und damit unerschöpfliche Reserven geothermischer Energie.

Wir starten unseren Rundlauf durch die isländische Hauptstadt am östlichen Ende der Laugavegur,  Reykjaviks  zentraler Einkaufsstraße.  Zwei- und dreistöckige Häuser reihen sich aneinander, ansprechend gestrichen mit roter, grüner, blauer oder lavaschwarzer Farbe. Die Fensterrahmen sind in hübschem Farbkontrast gehalten. Street Art Künstler mischen das  Stadtbild auf. An einer Hauswand reitet eine attraktive Frauengestalt  im Kleinen Schwarzen auf hundeähnlichen Fabelwesen durch die Vollmondnacht. Auf Gitterstäben sind einzelne Handschuhe aufgespießt. Single gloves speed dating hat jemand dazu  geschrieben.  In den  Läden werden Lopapeysa, die typischen Islandpullover aus dunkler Lammwolle mit hellen Strickmustern verkauft.  Gefühlt jedes dritte Altstadthaus entpuppt sich später am Tag als Bar, Restaurant oder Musikkneipe. Kurz vor Mitternacht, wenn es allmählich dunkel wird, wird es hier richtig lebhaft.  Björk, Sigur Rós, Of Monsters and Men sind nur einige der isländischen Poplegenden, die ihre Karriere in den Altstadtkneipen von Reykjavik begonnen haben und heute über 100 Millionen Mal auf YouTube angeklickt werden.

Die Hälfte aller 330 Tausend Isländer lebt in Reykjavik. Ein kleines Land, das es zu beträchtlichem Wohlstand gebracht hat. Doch wir laufen auch an vereinzelten Bauruinen vorbei, die an die bitteren Jahre der Bankenkrise erinnern. Inzwischen erlebt Island dank einer boomenden  Tourismusindustrie einen beeindruckenden Wiederaufschwung.

 Raumfähre mit Orgelpfeifen
Nach einem knappen Kilometer auf der Laugavegur biegen wir links ab auf die Skolavördustigur und laufen den Hügel zur Hallgrimskirkja  hinauf. Diese weithin sichtbare Kirche ist das Wahrzeichen der Stadt.  Aus hellem  Stein erbaut, mutet sie wie eine Kreuzung aus NASA Raumfähre und spitz zulaufenden Orgelpfeifen an. Vor der Kirche steht die mächtige Statue des Leifur Eiricsson. Das ist jener Wikinger,  der bereits um 1000, also lange vor Kolumbus, amerikanisches Festland entdeckte und ihm den Namen Vínland gab. Vom Platz vor der Hallgrimskirkja gönnen wir uns einen wunderbaren Blick auf die Stadt. Die Luft ist so klar, dass wir weit über den Nordatlantik und die umliegenden schneebedecken Berge und Gletscher sehen können.

Auf der Njardargata laufen wir durch adrette Wohnviertel recht steil wieder den Hügel hinunter, durch den Stadtpark hindurch und an einem Weiher entlang wieder in die Altstadt. Der zentrale Austurvöllur  Platz war bis zum 18. Jhd. Schafweideland. Heute steht hier die sogenannte Kathedrale, ein einfacher Bau, der mit der Bescheidenheit einer Dorfkirche daherkommt.  Durch die Altstadt hindurch joggen wir auf der Adalstraeti an Reykjaviks ältestem Gebäude, einem bunt bemalten Holzhäuschen, vorbei. In wenigen hundert Metern sind wir dann am alten Hafen angelangt. Islands Fischereiflotte mit den umstrittenen Walfangbooten ankert längst außerhalb der Stadt. Aber hier am alten Kai bieten die Boote ganz harmlose Whale Watching Fahrten an.  Im Kneipengewirr des Old Harbour liegt auch die blaue Baracke des Café Haiti. Der Name wirkt am 64. nördlichen Breitengrad reichlich exotisch. Doch die Wirtin Elda hat sich in Reykjaviks Kneipenszene mit herausragendem Kaffee aus ihrer Heimat einen Namen gemacht.  Ihr isländischer Ehemann verkauft dazu heimische Fischsuppe mit Bier für 20 Euro. Das ist in Island kein überhöhter Preis. Doch zum Glück kann man auf der Insel alles – auch den Toilettenbesuch – mit Kreditkarte bezahlen.

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Gleich neben dem alten Hafen liegt das Harpa. Reykjaviks supermodernes Konferenz- und Konzertgebäude beeindruckt mit raffiniert ausgetüftelter Glasfassade, in der sich allabendlich bunte Lichter widerspiegeln.  Wir laufen weiter entlang des Fußgängerwegs an der Uferstraße namens Saebraut.  Noch ein paar hundert Meter weiter und wir gelangen zu einer besonderen Sehenswürdigkeit der Stadt:  Silbrig-gelb leuchtet ein metallenes stilisiertes Wikingerschiff in der Morgensonne. In der Ferne  stürzen Bergabhänge ins Meer.  Seevögel fliegen lautlos vorüber. Und ganz allmählich und unaufdringlich mischen sich die Geräusche des beginnenden Morgenverkehrs in das leise Klatschen der Nordmeerwellen.

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